«In Neubauten wird vor­wiegend auf Wärme­pumpen gesetzt»

Die Klimaziele werden nur erreicht, wenn Gebäude energieeffizienter werden. Was wir in diesem Sektor erreicht haben, aber vor allem, was noch vor uns steht, erklären Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch, und Markus Stocker, Leiter Produktmanagement Finanzierungen.

Text: Johanna Stauffer / Bilder: Selina Meier

Der Gebäudesektor einer der grössten Verursacher von Treibhausgasen. (Bild: Christian Grund)

Frau Kubli, der Bundesrat will bis 2050 eine klimaneutrale Schweiz. Welche Rolle nimmt hierbei der Schweizer Gebäudepark ein?

Ursina Kubli: Fraglos ist der Gebäudesektor einer der grössten Verursacher von Treibhausgasen. 2020 lag der Wert hierzulande bei rund 10 Millionen Tonnen CO2 -Emissionen. Das entspricht in etwa einem Viertel des gesamten Ausstosses in der Schweiz, ähnlich viel wie durch den Industriebereich. Dies wird einzig noch durch den Verkehr übertroffen. Immerhin: Es wurde schon einiges unternommen, sowohl bei den privaten Haushalten – diese machen den Grossteil der CO2 - Emissionen aus – als auch bei den Geschäftsgebäuden. So lag der gesamte Ausstoss der Schweizer Gebäude vor 30 Jahren mit 18 Millionen Tonnen noch deutlich höher, und dies bei einer niedrigeren Bevölkerungszahl. Am Ziel sind wir aber noch lange nicht.

Wo besteht Potenzial, die Emissionen weiter zu senken?

Ursina Kubli: Die Treibhausgase im Gebäudesektor sind allen voran auf die Beheizung und das Bereitstellen von Warmwasser mit Hilfe von fossilen Brennstoffen zurückzuführen. Ein Ansatzpunkt sind Sanierungen von Gebäudehüllen, ein anderer der Ersatz von fossilen Heizsystemen. Denn: In Wohngebäuden hat es nach wie vor meist Öl- und Gasheizungen, insbesondere in den Städten. So liegt ihr Anteil in Zürich bei 74 Prozent, in Luzern und Bern bei 86 Prozent und in Genf bei sogar 93 Prozent.

Ursina Kubli

Ein Ansatz sind Sanierungen von Gebäudehüllen, ein anderer der Ersatz von fossilen Heizsystemen.

Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch

Wie kommt es, dass der Anteil fossiler Heizungen so hoch ist?

Ursina Kubli: An zentralen Lagen wurde in der Vergangenheit das Gasnetz stark ausgebaut. Man war bemüht, möglichst viele Gebäude daran anzuschliessen. Dass bei Sanierungen vermehrt auch auf Alternativen wie Wärmepumpen gesetzt wird, ist tatsächlich ein neueres Phänomen. Bisher wurden fossile Heizungen meist mit dem gleichen Heizungstyp ersetzt. Immerhin wird im Neubau schon seit Jahren vorwiegend auf Wärmepumpen gesetzt.

Wie kam es zum Umdenken?

Ursina Kubli: Das Bewusstsein rund um Treibhausgase ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Hinzu kommt die Energiekrise: Während sich früher vor allem ökologisch bewusste Immobilienbesitzerinnen und -besitzer mit dem energetischen Zustand ihrer Immobilie befasst haben, geht nun auch die breite Masse aufgrund von finanziellen Überlegungen über die Bücher.

Was braucht es, damit die Schweiz das Klimaziel 2050 erreicht?

Ursina Kubli: Sicherlich ist die Heizungsfrage nur ein Ansatzpunkt von vielen. Aber hier sehen wir: Es braucht ganz klar aktuelle Daten und Transparenz. Beispiel Eidgenössisches Gebäude- und Wohnungsregister: Im Kanton Zürich sind 75 Prozent aller verfügbaren Daten zum Sanierungsstand über acht Jahre alt. Zugespitzt ausgedrückt: Wir befinden uns im Blindflug, was in den letzten Jahren hinsichtlich energetischer Sanierungen wirklich passiert ist. Die Behörden sind hier also in der Verantwortung, Daten zeitnah zur Verfügung zu stellen. Denn wenn wir das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen wollen, müssen wir die aktuelle Situation genau kennen.

Wie behelfen Sie sich, um ein gutes Bild zum Sanierungsstand zu bekommen?

Ursina Kubli: Wir nutzen hier eine Reihe von Quellen. Als grösste Hypothekargeberin im Kanton können wir hierbei auf viele eigene Daten zurückgreifen. Daneben erlauben auch die Baubewilligungen im Baublatt Rückschlüsse auf energetische Massnahmen, sind diese doch häufig bewilligungspflichtig.

Welche Trends sehen Sie?

Ursina Kubli: Bis 2016 war der Heizungsersatz eigentlich nicht wirklich ein Thema. Bei Mehrfamilienhäusern betrafen Baubewilligungen vor allem den Innenausbau. Seinerzeit waren noch höhere Leerstände ein Problem – und mit einer frisch renovierten Küche liessen sich nun mal eher Mieter anlocken als mit einer neuen Heizung. Hier hat sich das Bewusstsein geändert. Übrigens: Wenn bei Mehrfamilienhäusern die Heizung erneuert wird, geht dies üblicherweise Hand in Hand mit anderen Sanierungsmassnahmen.

Wie sieht es bei Einfamilienhäusern aus?

Ursina Kubli: Auch hier sehen wir nun deutlich häufiger Heizungssanierungen. Interessanterweise wird hier meist nur die Heizung erneuert. Bei einem Einfamilienhaus ist dies auch deutlich einfacher als im Stockwerkeigentum. Dies, weil die verschiedenen Besitzerinnen und Besitzer häufig unterschiedliche Ansichten oder Budgetmöglichkeiten haben. Deswegen wird hier häufiger noch am Status quo festgehalten.

Markus Stocker

Unsere Palette haben wir laufend mit auf Nachhaltigkeitskriterien ausgerichteten Produkten erweitert.

Markus Stocker, Leiter Produktmanagement Finanzierungen

Sind sonst Trends ersichtlich?

Ursina Kubli: Bei Solaranlagen gab es jüngst Lockerungen. Bisher musste bei Flachdächern jeweils auf eine Bewilligung gewartet werden. Seit Mitte 2022 gilt für Solaranlagen ein vereinfachtes Meldeverfahren – dies, um den Bau von neuen Solaranlagen zu beschleunigen. Auch bei der Installation einer Wärmepumpe werden administrative Hürden künftig weiter abgebaut.
Markus Stocker: Was wir hier nicht vergessen dürfen: Die Nachfrage nach solchen Lösungen hat jüngst allein schon wegen der Verwerfungen auf den Energiemärkten massiv zugenommen. Aktuell liegt der Flaschenhals allerdings bei der Installationskapazität auf der Anbieterseite – wir sehen derzeit lange Wartefristen.

Welchen Stellenwert hat denn bei der Zürcher Kantonalbank die Nachhaltigkeit im Finanzierungsgeschäft, Herr Stocker?

Markus Stocker: Nachhaltigkeit liegt in der DNA unserer Bank und ist deswegen gerade im Finanzierungsgeschäft nicht erst seit Kurzem ein Thema. Wir vergeben mit unseren Umweltdarlehen Hypotheken an Eigentümerinnen und Eigentümer, welche umweltfreundlich bauen oder renovieren, und gewähren dabei eine Zinsreduktion. Dieses Produkt feierte 2022 sein 30-jähriges Bestehen. Darüber hinaus gibt es produktseitig und eingebaut in unseren Beratungsprozess eine ganze Fülle an Angeboten und Tools, die das Thema der Nachhaltigkeit aufgreifen. Im Grunde genommen ist diese ein integrativer Bestandteil von grossen Teilen unserer Aktivitäten im Finanzierungsgeschäft.

Welche Angebote und Tools sprechen Sie an?

Markus Stocker: Zum einen unsere Produktpalette, die wir in der Vergangenheit laufend mit zusätzlichen, auf Nachhaltigkeitskriterien ausgerichteten Produkten erweitert haben. Für Grosskunden bieten wir zum Beispiel einen Sustainability Linked Loan an. Vereinfacht gesagt geht es bei diesem Produkt darum, dass wir mit dem Kunden individuelle Nachhaltigkeitsziele vereinbaren und bei deren Einhaltung einen Produktrabatt gewähren. Als mindestens so wichtig wie die Gestaltung unserer Produktpalette erachte ich die Toolbasierte Unterstützung unserer Beraterinnen und Berater.

Was ist darunter zu verstehen?

Markus Stocker: Auch hier haben wir gerade in jüngster Zeit grosse Schritte unternommen. Wir können mit unseren Kundinnen und Kunden in der Finanzierungsberatung eine massgeschneiderte Gebäudestrategie festhalten und dabei auch Aspekte wie die energieeffiziente Renovation aufnehmen. Da dies mit der Tablet gestützten Beratung ausgeliefert wird, können wir ein noch besseres Kundenerlebnis bieten.

Kann die Zürcher Kantonalbank sämtliche Aspekte der Energieeffizienz in der Gebäudefinanzierung selbst abdecken?

Markus Stocker: Wir können als Bank tatsächlich sehr viel bieten. Aber natürlich behalten wir dabei im Rahmen unserer Kernkompetenzen jeweils einen starken Fokus auf den Finanzierungsaspekt. In Ergänzung zu unserer eigenen Kompetenz bieten wir unseren Kundinnen und Kunden zum Beispiel eine Heizersatzberatung an, und das sogar kostenlos. Diese erfolgt in Kooperation mit den Elektrizitätswerken des Kantons (EKZ) sowie mit den Städten Winterthur und Zürich, die die Expertinnen und Experten vor Ort stellen.

Was beinhaltet diese Heizungsersatzberatung?

Markus Stocker: Die Kundinnen und Kunden erhalten in diesen Beratungen eine umfassende Einschätzung über die aktuelle Energieeffizienz ihres Gebäudes; ebenso Rat betreffend sinnvolle Anpassungen bei der Heiztechnologie. Erkenntnisse daraus können dann wiederum in der Finanzierungsberatung verwendet werden. Es überrascht deshalb nicht, dass sich dieses Angebot bei unseren Kundinnen und Kunden sehr grosser Beliebtheit erfreut. Übrigens übernehmen wir beim Abschluss eines Umweltdarlehens auch die Kosten für den Expertenbericht für den GEAK (Gebäudeenergieausweis der Kantone).