KMU ZH Insight Night: Fachkräfte­mangel als zentrales Thema

Die Zürcher Kantonalbank hat ihre neue Studie zu den KMU im Kanton Zürich veröffentlicht. Deren grösste Herausforderung ist der Personalmangel. Was können die Unternehmen dagegen tun? Gastrounternehmer Manuel Wiesner sagt, dass die Firmenkultur entscheidend sei. Dazu gehört für ihn, dass alle wissen, was er und alle anderen Mitarbeitenden verdienen.

Text: Andreas Dürrenberger / Bilder: Sarah Harsch

Stimmungsbild der KMU Insight Night
Die KMU ZH Insight Night fand am 26. Oktober 2022 im Zürcher Kaufleuten statt.

Manuel Wiesner ist Gastrounternehmer. Gemeinsam mit seinem Bruder Daniel führt er in zweiter Generation das Unternehmen Familie Wiesner Gastronomie (FWG) mit 34 Restaurants wie Negishi Sushi, Nooch oder The Butcher. Er hat ein Jahreseinkommen von 245'000 Franken.

Wiesners Lohn darf jede und jeder kennen, denn bei FWG gilt die volle Lohntransparenz: Sämtliche Mitarbeitenden dürfen und sollen wissen, was ihre Kolleginnen und Kollegen verdienen. Warum die Familie Wiesner diese ungewöhnliche Offenheit pflegt, verriet Manuel Wiesner anlässlich einer Veranstaltung der Initiative KMU ZH.

Unterstützung für die Zürcher KMU

Mit dieser Initiative leistet die Zürcher Kantonalbank einen Beitrag zum wirtschaftlichen Wohlergehen der kleinen und mittleren Unternehmen im Kanton. Teil der Initiative ist die jährlich durchgeführte Studie «KMU ZH Monitor» (siehe Box). Sie bildet das wirtschaftliche Stimmungsbild der Unternehmen ab und zeigt auf, bei welchen Themen ihnen der Schuh drückt.

Eine der grössten Herausforderungen in sämtlichen Branchen, von Gastro- über Handels- bis zu Industrieunternehmen, ist der Mangel an ausgebildeten Fachkräften. Diese Erkenntnis aus der Studie nimmt die Zürcher Kantonalbank auf und vertieft das Thema während des kommenden Jahres. Sie tut dies mit verschiedenen Massnahmen. Workshops, Netzwerkanlässe, Praxisseminare und eine Informationsplattform sollen den KMU Lösungsansätze aufzeigen und Unterstützung bieten.

Roger Liebi, Vizepräsident des Bankrats der Zürcher Kantonalbank, stellte das Jahresthema vor: der Fachkräftemangel
Roger Liebi, Vizepräsident des Bankrats der Zürcher Kantonalbank, stellte das Jahresthema vor: der Fachkräftemangel.

Es fehlen nicht nur Fachkräfte

Den Auftakt machte die «Insight Night» im Kaufleuten Zürich. Vor über 200 Gästen stellte Roger Liebi, Vizepräsident des Bankrats der Zürcher Kantonalbank, das Jahresthema vor: «Der Fachkräftemangel ist längst ein ausgewachsener Personalmangel geworden, denn es fehlen nicht nur Fachkräfte», stellte er klar. Liebi hat den Vorsitz im Beirat, der die Initiative KMU ZH fachlich begleitet und bei der Themenwahl unterstützt.

Die Wahl des Schwerpunktthemas wurde im Gremium intensiv diskutiert. «Die KMU stehen vor vielen Herausforderungen. Dazu gehören sicher Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen und derzeit sehr akut natürlich die gestiegenen Strom- und Energiekosten», sagt Liebi. «Aber mit dem Fachkräftemangel haben wir ein Thema gewählt, das uns alle noch längerfristig beschäftigen wird.»

Allgemein gültige Hinweise und pfannenfertige Lösungen, die für jeden geeignet seien, könne man nicht geben, so Liebi weiter. «Aber wir können den Austausch unter den KMU fördern, damit sie von den Erfahrungen anderer Unternehmer profitieren, zum Beispiel beim Thema Arbeitgeberattraktivität.»

Gastrounternehmer Manuel Wiesner teilte seine Erfahrungen zur Lohntransparenz
Gastrounternehmer Manuel Wiesner teilte seine Erfahrungen zur Lohntransparenz.

Faire und transparente Entlöhnung als Wertschätzung für die Mitarbeitenden

Manuel Wiesner machte an der Insight Night gleich den Anfang und teilte seine Sichtweise mit den im Publikum sitzenden Unternehmerinnen und Bankmitarbeitenden. «Mit unserer Lohntransparenz heben wir uns von anderen Gastrounternehmen ab», sagte Wiesner. «Dank der Lohntransparenz können wir klar machen, wer wieviel verdient und auch warum dieser Lohn gerechtfertigt ist, etwa wegen der Ausbildung oder der Führungserfahrung. Die Mitarbeitenden wissen so, dass sie fair entlöhnt werden und können sich auf das Wesentliche – ihre Arbeit – konzentrieren.»

Zudem erleichtere die Massnahme die Rekrutierung neuer Mitarbeitender. In den Stelleninseraten von FWG ist ein Lohnrechner integriert, damit Stellensuchende gleich erfahren, wo sie im Lohnband des Unternehmens platziert sind. «Beim Vorstellungsgespräch reden wir kaum über den Lohn. Die Kandidaten wissen, woran sie sind. Das sorgt für eine viel entspanntere Stimmung.»

Die Unternehmenskultur ist entscheidend

Die Lohntransparenz sei aber nur ein Puzzleteil, sagte Wiesner. «Entscheidend ist die gesamte Unternehmenskultur.» Bei FWG beinhaltet diese beispielsweise eine Stiftung, die Mitarbeitende in Nöten mit zinslosen Darlehen unterstützt; es werden Bäume gepflanzt; der verursachte CO2-Ausstoss des Essens kompensiert; ein Prozent des Jahresumsatzes für die Umwelt gespendet. «Wichtig ist, dass die Mitarbeitenden sich mit unseren Werten identifizieren können. Klar, der Lohn muss stimmen, aber auch die Sinnhaftigkeit der Arbeit.»

Dass dies auch für andere KMU gilt, zeigte sich an der abschliessenden Podiumsdiskussion. Nadia Fischer, CEO des IT-Startups Witty Works AG, bestätigte Wiesners Sichtweise. Zur Arbeitgeberattraktivität trägt bei Witty Works auch bei, dass die Mitarbeitenden Arbeitsort- und zeit frei wählen können.

Ein Gemüsegärtner sprach allen aus dem Herzen

Gemüsegärtner Fritz Meier von der Gebrüder Meier Gemüsekulturen AG hingegen kann dies seinen Mitarbeitenden nicht bieten. Bei ihm erhalten saisonale, aus dem Ausland stammende Arbeitskräfte Unterstützung bei alltäglichen Dingen wie Handyabo abschliessen oder Bankkonto eröffnen. Auch eine eigene Wohnung mit Privatsphäre statt ein Bett in der Gruppenunterkunft, wie in der Branche oft üblich, gehört für ihn dazu.

Gerne würde er mit höheren Löhnen Mitarbeitende gewinnen. Aber das sei in der Landwirtschaft kaum realistisch. «Würden die Konsumenten nur ein paar Rappen mehr für unsere Produkte bezahlen, könnten wir die Löhne erhöhen», sagte er. «In einem Rüebli steckt viel Aufwand und Arbeit. Deshalb würde ich mir wünschen, dass die Konsumenten nicht nur auf den Preis achten, sondern den wahren Wert eines Produktes erkennen würden.» Der spontane Applaus für diese Aussage zeigte, dass er bei den KMU-Inhaberinnen und -Inhabern damit einen Nerv getroffen hatte.

 

KMU ZH Monitor: Zürcher KMU sind zuversichtlich, aber stark gefordert

Gestern erschien die zweite Ausgabe des «KMU ZH Monitors»: Die Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW im Auftrag der Zürcher Kantonalbank misst jährlich den Puls bei den kleinen und mittleren Unternehmen im Kanton Zürich. 364 Unternehmen mit jeweils bis maximal 250 Angestellten beteiligten sich an der wissenschaftlichen Studie (Befragungszeitraum: März bis Mai 2022).

Die Stimmung bei den KMU im Kanton Zürich war im ersten Halbjahr alles in allem gut. Sie sind mit ihrer aktuellen Geschäftsentwicklung leicht zufriedener als noch vergangenes Jahr und erwarten höhere Umsätze. Aber die Rahmenbedingungen bleiben anspruchsvoll.

Branchenübergreifender Personalmangel bereitet Kopfzerbrechen

Eine der grössten Herausforderungen quer durch alle Branchen ist die Suche nach qualifiziertem Personal. 52 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. Sorgen bereiten vielen KMU auch die anhaltenden Lieferengpässe von Roh- und Halbfabrikaten. Rund ein Drittel der Befragten erachtete die Einschränkungen bei den globalen Lieferketten als grosse Herausforderung.