Wenn plötzlich die Steuer fällig wird

Wenn Erbengemeinschaften Mehrfamilienhäuser halten, sind steuerliche Stolpersteine oft nicht weit. Erbteilungen nach scheinbar harmlosen Handlungen oder nach zu langem Zuwarten können die Grundstückgewinnsteuer auslösen. Anhand von zwei Beispielen veranschaulichen wir Ihnen, worauf es ankommt.

Text: Patrick Steinemann / Illustrationen: Maria Salvatore | aus dem Magazin «Meine Vorsorge» 3/2023

Illustration zum Thema Erbengemeinschaften und Mehrfamilienhäuser
Erbteilungen sollten in einer bestimmten Zeit abgewickelt werden. Dauern sie zu lange, kann die Auflösung von Erbengemeinschaften mit Immobilienbesitz hohe Steuerfolgen haben.

Steuern scheinen auf den ersten Blick eine einfache Sache zu sein: Ein paar Zahlen zusammentragen, sie auf einem Formular eintragen, die Steuererklärung abschicken, auf die Rechnung des Amtes warten, zahlen – und fertig. Doch wer schon einmal eine Steuererklärung ausgefüllt hat, kennt auch ihre Fallstricke und Stolpersteine: Die Ausnahmen und die Einschränkungen, die Anmerkungen und die Erläuterungen.

Diese lauern auch bei einer besonderen Steuerart: der Grundstückgewinnsteuer (GGST). Grundsätzlich ist diese immer dann fällig, wenn eine Immobilie den Eigentümer oder die Eigentümerin wechselt. Doch auch hier gibt es: die Ausnahmen. Eine davon ist der Übertrag einer Immobilie im Rahmen einer Erbteilung. Wird etwa ein Mehrfamilienhaus an eine Erbengemeinschaft übertragen oder werden Grundstücke innerhalb einer Erbengemeinschaft aufgeteilt, ist die GGST nicht sofort fällig, sondern wird aufgeschoben.

Und natürlich sind sie auch hier nicht weit weg: die Einschränkungen. Rachid Ghazi, Steuerexperte bei der Zürcher Kantonalbank, nennt sie: «Damit im steuerlichen Sinne noch von einer Erbteilung gesprochen werden kann, muss die Erbengemeinschaft einen vorübergehenden Charakter haben. Es muss sich also um eine notwendige Übergangsorganisation oder Liquidationsgemeinschaft han­deln, die einzig die Abwicklung der Erbteilung bezweckt. Sobald sie diesen vorübergehenden Charakter verliert, handelt es sich um eine sogenannte fortgesetzte Erbengemeinschaft – und die steuerlichen Privilegien fallen weg.»

Rachid Ghazi, Teamleiter Steuern, Zürcher Kantonalbank

Damit im steuerlichen Sinne noch von einer Erbteilung gesprochen werden kann, muss die Erbengemeinschaft einen vorübergehenden Charakter haben.

Rachid Ghazi, Teamleiter Steuern Zürcher Kantonalbank (Bild: Flavio Pinton)

Der «vorübergehende Charakter» einer Erbengemeinschaft

Doch was heisst das konkret? Faktisch darf die Erbengemeinschaft einzig Handlungen vornehmen, die der Sicherung, Erhaltung und notwendigen Bewirtschaftung des Nachlasses bis zur Erbteilung dienen. «Werden nicht notwendige Sanierungsarbeiten vorgenommen, ein Grundstück überbaut, ein bestehendes Gebäude umgebaut oder aufgestockt, so kann die Erbengemeinschaft ihren vorübergehenden Charakter verlieren», sagt Ghazi.

Ebenso könne die Erbengemeinschaft zur fortgesetzten Erbengemeinschaft werden, wenn sie – ohne trif­tige Gründe – zu lange mit der Erbteilung zuwarte. «Die Dauer, in welcher eine Erbteilung – aus steuerlicher Sicht – zu erwarten wäre, hängt vom Einzelfall und den Umständen ab.» Angesprochen hätten wir damit auch: die Anmerkungen.

Fehlen noch: die Erläuterungen. Diese liefert Experte Ghazi anschaulich mit den zwei nachfolgenden, fiktiven Beispielen. Sie zeigen die Situation von Erbengemeinschaften mit Immobilienbesitz und stellen die Praxis bei der GGST im Kanton Zürich dar.

Beispiel 1: Sanierung eines Mehrfamilienhauses

Illustration zum Thema Erbengemeinschaften und Mehrfamilienhäuser

 

Vier Geschwister haben im Jahr 2020 vier Mehrfamilienhäuser geerbt. Diese sind seit langer Zeit in Familienhand und bereits etwas älter. Die Geschwister beschliessen daher, die Mehrfamilienhäuser im Jahr 2022 umfassend zu sanieren und erst nach der Sanierung aufzuteilen.

Im Jahr 2023 folgt die Aufteilung der vier Mehrfamilienhäuser unter den Geschwistern. Jedes der Geschwister übernimmt ein Mehrfamilienhaus in sein Eigentum. Da die Mehrfamilienhäuser jeweils den gleichen Wert aufweisen, sind keine Ausgleichszahlungen notwendig. Mit der Beurkundung und Eintragung im Grundbuch ist die Angelegenheit für die Geschwister abgeschlossen.

Kurze Zeit später erhebt die Gemeinde jedoch aufgrund der Eintragung der Geschwister als Alleineigentümer Grundstückgewinnsteuern (GGST), welche die Millionengrenze überschreiten (siehe Berechnung 1). Was die Geschwister leider erst jetzt erfahren: Hätten Sie die Mehrfamilienhäuser vor der Sanierung einander zugeteilt, hätten sie die Erhebung der GGST vermeiden können.

Wieso müssen die vier Geschwister die GGST zahlen?

Durch die umfassende Sanierung durch die vier Geschwister geht der vorübergehende Charakter der Erbengemeinschaft verloren. Bei der anschliessenden Übertragung der Mehrfamilienhäuser in das jeweilige Alleineigentum der Geschwister kommt es zu einer Handänderung. Jeweils drei der vier Geschwister übertragen ihr Eigentum an jeweils einem Mehrfamilienhaus auf das vierte Geschwister. Auch wenn kein Geld fliesst, wird dieser «Tausch» steuerlich so behandelt, als ob die Geschwister jeweils ihren Anteil verkauft hätten und diese fiktiven Kaufpreiszahlungen untereinander verrechnet worden wären. Daher fällt in diesem Beispiel auch die GGST an.

Berechnung 1

  • Wert pro Mehrfamilienhaus nach Sanierung: CHF 5 Mio.
  • Wertvermehrende Investitionen: CHF 1 Mio.
  • Wert vor 20 Jahren: CHF 2 Mio.

Der GGST unterliegen jeweils drei Viertel des Grundstückgewinns (CHF 2 Mio.) pro Mehrfamilienhaus. Damit beträgt die GGST (rund 20 Prozent) pro Grundstück rund CHF 300'000 beziehungsweise gesamthaft über alle Grundstücke rund CHF 1,2 Mio. (da jeweils ein Geschwister pro Grundstück seinen Anteil behält, werden nur drei Viertel des jeweiligen Grundstücks übertragen).

Beispiel 2: Neubau zweier Mehrfamilienhäuser

Illustration zum Thema Erbengemeinschaften und Mehrfamilienhäuser

 

Zwei Geschwister haben im Jahr 2018 ein unbebau­tes Grundstück geerbt. Das Grundstück eignet sich für die Überbauung mit zwei (gleich grossen) Mehrfamilienhäusern. Um das Bauprojekt einfacher über die Bühne zu bringen, entschliessen sich die Geschwister, das Bauprojekt gemeinsam zu vollziehen und die beiden Mehrfamilienhäuser erst im Anschluss unter sich aufzuteilen. Im Jahr 2022 kann das Bauprojekt erfolgreich abgeschlossen werden. Da die beiden Mehrfamilienhäuser (einschliesslich Landanteil) den gleichen Wert aufweisen, gehen die Geschwister nun davon aus, dass sie jeweils ein Mehrfamilienhaus «allein» übernehmen können.

Die Zuweisung in das Alleineigentum löst Grundstückgewinnsteuern (GGST) in signifikanter Höhe aus (siehe Berechnung 2). Und dies, obschon es faktisch eine reine Teilung des Grundstücks ist und auch keine Ausgleichszahlungen fliessen. Hätten die Geschwister vor Vornahme irgendwelcher Handlungen das Grundstück im Rahmen der Erbteilung in zwei Teile parzelliert, so wäre die GGST nicht angefallen.

Wieso müssen die zwei Geschwister die GGST zahlen?

Die Geschwister teilen das Land eigentlich «nur» in zwei gleich grosse Grundstücke auf. Allerdings unterliegen auch sogenannte Realteilungen – also die Aufteilung eines Grundstückes unter gleichzeitiger Zuweisung zu Alleineigentum – im Kanton Zürich der GGST. Steuerlich wird dies daher so gehandhabt, als ob jeweils ein Geschwister die Hälfte seiner Hälfte vom anderen Geschwister kauft (und umgekehrt). Und da die Erbengemeinschaft der Geschwister mit der Überbauung ihren vorübergehenden Charakter (steuerlich) verliert, wird diese Handänderung auch mit Bezug auf die GGST nicht mehr steuerlich privilegiert.

Berechnung 2

  • Aktueller Landwert: CHF 9 Mio. (2'000 m2 zu einem Wert von CHF 4'500 pro m2)
  • Baukosten: CHF 8 Mio.
  • Wert des Grundstücks vor 20 Jahren: CHF 3 Mio. (2'000 m2 zu einem Wert von CHF 1'500 pro m2)

Der GGST unterliegt faktisch die Hälfte des Grundstückgewinns, also CHF 3 Mio. (50 Prozent auf dem Wertzuwachs von CHF 6 Mio.). Dies führt zu einer Grundstückgewinnsteuerbelastung pro Geschwister von rund CHF 300'000.

Reale Beispiele meist noch komplizierter

In der Praxis steigt die Komplexität der geschilderten Beispiele meist noch, wie Steuerexperte Rachid Ghazi weiss: «Zum Beispiel kann eine Abparzellierung eines Grundstücks gar noch nicht erfolgen, da auf dem Grundstück ein abbruchreifes Gebäude steht. Oder zwecks Finanzierbarkeit beteiligen sich auch die Ehepartnerinnen oder Ehepartner am Bauprojekt, was zu weiteren Handänderungen führen kann.» Beachtet werden sollten zudem weitere Steuern und Abgaben, insbesondere dann, wenn ein Grundstück ursprünglich landwirtschaftlich genutzt oder geschäftlich verwendet wurde.

Zum Schluss hat Ghazi noch einen Hinweis zur Übertragung eines Mehrfamilienhauses oder Grundstücks – oder jeweils mehrerer – zu Lebzeiten an mehrere Erbanwärter: «Je nach Ausgestaltung der Übertragung kann bereits unmittelbar nach der Übertragung keine steuerfreie Aufteilung mehr unter den Erbanwärtern erfolgen.» Erhalten also beispielsweise zwei Nachkommen gemeinsam zwei Mehrfamilienhäuser von ihren Eltern, kann – je nach Vertragsausgestaltung – eine spätere Aufteilung der zwei Mehrfamilienhäuser unter den Erbanwärtern nicht mehr steuerfrei erfolgen.

Beratung sinnvoll

Für den Steuerexperten Ghazi ist in diesem Fall klar: «Erben sollten sich noch vor der Übertragung steuerlich beraten lassen.» Grundsätzlich empfiehlt sich bei Erbteilungen eine steuerliche Auslegeordnung noch vor dem Start irgendwelcher Handlungen. «Denn», so Ghazi, «Analysen durch eine Expertin oder einen Experten sind in der Regel sinnvoll und zahlen sich aus.» Und vor allem helfen sie, Einschränkungen und Ausnahmen zu verstehen und Stolpersteine zu vermeiden.

Illustration zum Thema Erbengemeinschaften und Mehrfamilienhäuser

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Welche Handlungen können vor einer Erbteilung vorgenommen werden?

Bevor bei einer Erbteilung eine Auslegeordnung stattgefunden hat, sollten keine Handlungen vorgenommen werden, die über eine blosse Verwaltung, Sicherung und notwendige Bewirtschaftung hinausgehen.

Weshalb sollte eine Erbteilung nicht zu lange dauern?

Soll eine Erbteilung stattfinden, lohnt es sich, nicht zu lange mit der Zuteilung oder Umteilung von Grundstücken oder Immobilien zuzuwarten. Denn sonst kann eine Erbengemeinschaft ihren vorübergehenden Charakter und damit ihre steuerlichen Privilegien verlieren.

Lohnt sich die frühzeitige Besprechung einer Erbteilung?

Ja. Es ist aus steuerlicher Sicht empfehlenswert, sich frühzeitig über die Zuteilung des Erbgutes Gedanken zu machen und diese unter den Erben zu besprechen. Dabei sollte auch die fernere Zu­kunft wie die Weitergabe an spätere Nachkommen beziehungsweise Erben mitberücksichtigt werden.

Was sollte im Falle eines Bauprojektes beachtet werden?

Soll ein Bauprojekt in Angriff genommen, die bestehenden Liegenschaften saniert oder umgebaut werden, so ist eine steuerliche Planung vor dem Start irgendwelcher Handlungen empfehlenswert.

Was ist bei einer Übertragung zu Lebzeiten zu beachten?

Soll ein Grundstück zu Lebzeiten an mehrere Erbanwärter übertragen werden (Erbvorbezugsgemeinschaft), ist eine steuerliche Beratung vor Übertragung des Grundstücks sehr ratsam.