Tiefe Umwandlungssätze: Rente oder Kapital?

Viele Pensionskassen haben bereits die Rentenumwandlungssätze reduziert, einige werden noch folgen. Die Frage, ob ein Rentenbezug gegenüber einem Kapitalbezug zu bevorzugen ist, gewinnt deshalb für immer mehr Pensionskassen-Versicherte an Bedeutung.

Text: Susanne Kapfinger | aus dem Magazin «Meine Vorsorge» 2/2020

Bei der Pensionierung muss man sich entscheiden, ob man eine Rente zu den Konditionen seiner Pensionskasse bezieht oder sich sein Kapital auszahlen lässt. (Bild: Getty Images)

Viele Zürcherinnen und Zürcher erhalten jedes Jahr die neuen Vorsorgeausweise ihrer Pensionskasse. Die Empfänger haben etwas gemeinsam: Ihre Lebenserwartung steigt. Infolgedessen müssen die individuellen Altersguthaben der 2. Säule, also ihrer Pensionskasse, für mehr Rentenjahre reichen. Die steigende Lebenserwartung in Kombination mit dem aktuellen Tiefzinsumfeld und bescheideneren Anlagerenditen zwingen die Pensionskassen, Massnahmen zu ergreifen. Auf diese Herausforderung reagieren sie, indem sie den Umwandlungssatz senken. Der Umwandlungssatz ist der Prozentsatz, mit dem das Altersguthaben in eine jährliche Altersrente umgewandelt wird.

Umwandlungssatz von unter 5 Prozent

Diese Veränderungen sind auch im Pensionskassenausweis ersichtlich. Vergleichen Versicherte ihre früheren Pensionskassenausweise mit den heutigen, wird bei vielen die voraussichtliche Rente tiefer ausgewiesen. Es gibt bereits Pensionskassen, die das Alterskapital mit weniger als 5 Prozent in eine Rente umwandeln. Es stellt sich daher die Frage, ob bei diesen Umwandlungssätzen die Rente noch attraktiv ist?

«Die Abstimmung des Renten- oder Kapitalbezugs hängt von verschiedenen Kriterien ab, welche aufgrund der individuellen Ausgangslage analysiert werden müssen», sagt Michèle Geissmann, Finanzplanerin bei der Zürcher Kantonalbank.

Rechenbeispiel Renditevergleich

Ein Kriterium stellt der Renditevergleich eines Rentenbezugs mit dem Kapitalbezug dar. Dazu ein Rechenbeispiel: Ein lediger Mann mit Wohnsitz in Winterthur stellt sich die Frage, ob er sein Altersguthaben von 800'000 Franken bei seiner Pensionierung mit Alter 65 als Rente oder in Kapitalform aus der Pensionskasse beziehen soll. Er nimmt an, dass er eine Lebenserwartung von 90 Jahren hat. Seine Pensionskasse wandelt das Altersguthaben mit 5,7 Prozent in eine Rente um. Das entspricht einer Rente von 45'600 Franken pro Jahr. Der Mann ist Eigenheimbesitzer und hätte bei einem Rentenbezug aus der Pensionskasse (inkl. AHV) ein steuerbares Einkommen von rund 82'000 Franken. Gemäss dieser Ausgangslage müsste er bei einem Kapitalbezug eine jährliche Rendite von rund 2,4 Prozent nach Steuern erwirtschaften, damit er mit 90 Jahren den gleichen Frankenbetrag aus dem Kapitalbezug, wie mit der Rente bezogen hat.

Fünf Tipps zum PK-Bezug

Ausgabenbudget erstellen

Eruieren Sie im Hinblick auf die Pensionierung Ihren finanziellen Bedarf. Bei der Erstellung des Budgets unterstützt Sie der Finanzassistent im eBanking. 

Sicherheitsbedürfnis bedenken

Ein Kapitalbezug bietet mehr Flexibilität, eine Rente mehr Sicherheit bei den Einnahmen. Machen Sie sich Gedanken über Ihr Sicherheitsbedürfnis und zu regelmässigen fixen Einnahmen im Ruhestand.

Rendite vergleichen

Berechnen Sie, ab welchem Alter und welcher Rendite sich ein Renten- oder ein Kapitalbezug eher lohnt. Ziehen Sie dazu eine Fachperson bei.

Persönliche Verhältnisse einbeziehen

Berücksichtigen Sie neben rechnerischen Kriterien auch Ihre persönlichen Verhältnisse wie Ehe- und Konkubinatspartner, Kinder oder Erbschaftsplanung.

Steuern planen

Beim Entscheid «Rente oder Kapital» sollten die steuerlichen Auswirkungen und Optimierungen nicht vergessen werden. Eine professionelle Beratung berücksichtigt alle Aspekte.

Wäre dieser Mann verheiratet, ändert sich jedoch die Situation: Denn nach seinem Ableben erhielte seine Frau eine Witwenrente. Diese beträgt bei vielen Pensionskassen 60 Prozent der vorangegangenen Altersrente. Unter der Annahme, dass seine Frau nach seinem Ableben noch weitere fünf Jahre von einer Witwenrente profitiert, bedarf es beim selben Umwandlungssatz einer Rendite von rund 3 Prozent jedes Jahr.

Zurück zum ledigen Mann: Bleiben alle Parameter unverändert, ausser dass der Umwandlungssatz tiefer ist und 4,8 Prozent beträgt, reduziert sich die benötigte Rendite von ca. 2,4 auf rund 0,9 Prozent. Das heisst, dass bei tieferen Umwandlungssätzen eine geringere Rendite auf dem Kapitalbezug erwirtschaftet werden muss, um gleichauf mit dem Rentenbezug zu sein. Wer nun glaubt, eine höhere Rendite erzielen zu können, müsste aus Renditeüberlegungen einen Kapitalbezug tätigen – wer dies nicht glaubt, müsste die Rente wählen.

Das Resultat ist jedoch nebst dem Umwandlungssatz auch stark von der gewählten Vergleichsdauer (Lebenserwartung) und der Steuersituation abhängig. Deshalb lässt sich aus diesem Beispiel keine generelle Regel ableiten.

Merkmale «Rente oder Kapital» kennen

«Bei der Wahl zwischen Rente und Kapital müssen zuerst die unterschiedlichen Merkmale der beiden Optionen verstanden werden», sagt Michèle Geissmann, Finanzplanerin. Bei einem Rentenbezug erhält der Versicherte regelmässige, konstante Einnahmen. Im Todesfall profitiert der Ehegatte von einer Witwen- beziehungsweise Witwerrente. «Bei einem Kapitalbezug verfügt der Versicherte über eine höhere Flexibilität». Zum einen kann der Vermögensverzehr frei geplant werden, zum anderen kann das verbleibende Kapital im Todesfall unter Einhaltung allfälliger Pflichtteilsansprüche an weitere Begünstigte vererbt werden.

Diese unterschiedlichen Charakteristiken verdeutlichen: Der Entscheid « Rente oder Kapital » darf nicht nur von einem Renditevergleich abhängen. Beide Optionen bringen Vor- und Nachteile mit sich. Deshalb ist eine individuelle Analyse basierend auf der eigenen persönlichen und finanziellen Ausgangslage sehr wichtig. Wird beispielsweise bei geringem Vermögen ein hoher Lebensstandard gepflegt, ist der Bezug einer Altersrente tendenziell zweckmässiger, um sich ein regelmässiges Grundeinkommen zu sichern. Sind hingegen bereits grössere Vermögenswerte vorhanden oder werden solche durch Erbschaft oder Schenkung erwartet, ist ein Kapitalbezug prüfenswert. Dies gilt umso mehr, wenn die erwarteten Einnahmen im Ruhestand die Ausgaben übersteigen.

«Nebst der Flexibilität, die der Kapitalbezug bietet, kann er mit den verbundenen Unsicherheiten auch belastend sein», erklärt die Finanzplanerin. Denn die Verantwortung, das Altersguthaben eigenständig zu verwalten und einzuteilen, zusammen mit der Unsicherheit, für wie viele Jahre das Guthaben reichen soll, nimmt bei einem Kapitalbezug deutlich zu. «Für jemanden, dem das Risiko unregelmässiger Anlagerenditen schlaflose Nächte bereitet, mag der Rentenbezug die bessere Lösung darstellen», erklärt Geissmann.

Kombination prüfen

Ob der Kapitalbezug oder die Rente besser ist, kann demnach nicht für alle gleich beantwortet werden. «Oftmals ist es sinnvoll, beide Systeme – Teilrente und Teilkapitalbezug – zu kombinieren», sagt Finanzplanerin Michèle Geissmann. Klar ist: Der Druck auf die Pensionskassen bleibt weiterhin hoch. Diese Entwicklung erfordert mehr Eigenverantwortung und eine weitsichtige Planung in Bezug auf die eigene Pensionierung.

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