Notwendige Reform mit Stärken und Schwächen
Kern der aktuellen Vorlage ist die Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6.8% auf 6%. Der Umwandlungssatz ist ausschlaggebend für die Berechnung der Renten aus dem angesparten Vermögen. Die daraus resultierenden Einbussen bei den Renten will die Politik kompensieren. Wie die Kompensation ausgestaltet werden soll, darüber herrscht noch Uneinigkeit.
«Die Senkung des Umwandlungssatzes ist überfällig. Faktisch müsste er wahrscheinlich sogar noch tiefer ausfallen», sagt Dändliker. Gemäss der Swisscanto-Studie liegt der durchschnittliche Umwandlungssatz im Überobligatorium bereits heute bei rund 5.5 Prozent.
Das zweite Anliegen der BVG-Reform ist, Geringverdienende besser abzusichern. Dazu sollen der sogenannte Koordinationsabzug und die Eintrittsschwelle gesenkt werden. Der Koordinationsabzug ist massgebend für die Höhe des Lohns, der in der zweiten Säule versichert wird. Je tiefer der Abzug, desto höher der versicherte Lohn. Die Eintrittsschwelle legt fest, ab welcher Lohnhöhe in die zweite Säule eingezahlt wird.
Diese Bestrebungen seien zwar richtig, lösten das Problem von Geringverdienenden und Teilzeitarbeitenden aber nur teilweise. Oder wie es Heini Dändliker formuliert: «Die Senkung des Koordinationsabzugs trägt dem Problem zwar Rechnung, aber nur bedingt. Betrachtet man die Entwicklung des Arbeitsmarktes, so werden Teilzeitstellen zunehmen. Wir brauchen langfristig Massnahmen, die diese Entwicklung aufnehmen und eine positive Wirkung für Teilzeiterwerbstätige in der Altersvorsorge haben.»
Potenzial für bessere Renditen
Die BVG-Reform, sollte sie erfolgreich sein, wird die Probleme in der zweiten Säule entschärfen; ob sie sie langfristig lösen kann, ist unklar. Einen wichtigen Beitrag dazu können gemäss Heini Dändliker auch die Beiträge aus den Anlagerenditen der Pensionskassen leisten. Dort verortet er ungenutztes Potenzial.
Laut der Swisscanto-Studie 2021 lag die durchschnittliche Rendite – trotz Pandemie und Börsen-Taucher im Frühjahr 2020 – bei rund 4%. Sie variierte allerdings stark zwischen den Kassen, ein Trend, den Swisscanto schon länger beobachtet. 2020 hatte die beste Kasse eine dreimal so hohe Rendite wie jene mit der schlechtesten Performance.
«Wie wichtig die Renditeseite für die zweite Säule ist, zeigt folgendes Rechenbeispiel: 0,6 Prozent mehr Rendite bzw. rund CHF 6 Mrd. pro Jahr würden den Rentenverlust infolge der Senkung des Umwandlungssatzes kompensieren», sagt Heini Dändliker. Um dieses Potenzial besser zu nutzen, plädiert er für eine Flexibilisierung der heutigen Anlage-Vorschriften. Diese geben den Kassen vor, welchen Anteil des Vermögens sie maximal in Aktien, Obligationen, Immobilien, Fremdwährungen, Infrastruktur und alternativen Anlagen halten dürfen.
«Die Vorschriften sind unserer Ansicht nach zu starr. Unser Wunsch ist nicht, die Vorschriften komplett abzuschaffen. Vielmehr sollten sie aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen der verschiedenen Pensionskassen flexibilisiert werden.»
Private Vorsorge umso wichtiger, aber auch kein Allerheilmittel
Mit den Herausforderungen, vor deren die erste und zweite Säule stehen und den nur langsam voranschreitenden Reformen, rückt die dritte in den Fokus. Für Heini Dändliker ist klar: «Gibt es keine Reform, muss die oder der Einzelne mehr für die private Altersvorsorge tun». Aber nicht alle haben den finanziellen Spielraum für die private Vorsorge. Deshalb sind Reformen in der Altersvorsorge gerade für Geringverdienende zentral. Auch wenn die aktuellen Reformen erfolgreich abgeschlossen werden können, es werden nicht die Letzten sein. Davon ist auch Heini Dändliker überzeugt: «Damit auch tiefere Einkommen besser versichert sind, braucht es weitere Reformen für eine langfristig stabile Altersvorsorge. Gerade diese Menschen sind auf eine sichere Rente angewiesen und dafür müssen wir die richtigen Voraussetzungen schaffen.»