«Die Zürcher Kantonalbank verfügt über ein hoch­wertiges und sicheres Hypo­thekar­portfolio»

Die Immobilienpreise zeigen nur in eine Richtung – nach oben. Auch die Zinswende stoppte diesen Trend nicht. Roger Müller, Mitglied der Generaldirektion und Leiter Risk der Zürcher Kantonalbank, erläutert im Interview die Bedeutung des Hypothekarportfolios für die Zürcher Kantonalbank und erklärt, weshalb die heutige Situation mit jener in den 1990er-Jahren nicht vergleichbar ist.

Interview: Renate Meier / Bilder: Simon Baumann

Roger Müller, Leiter Risk
Roger Müller, Mitglied der Generaldirektion und Leiter Risk der Zürcher Kantonalbank

Herr Müller, die Zürcher Kantonalbank hat Hypotheken im Umfang von rund 100 Milliarden Franken vergeben. Wie ist diese Zahl im Verhältnis zur gesamten Geschäftstätigkeit zu beurteilen?

Die Hypothekarvergabe ist ein Kerngeschäft der Zürcher Kantonalbank. Es beansprucht rund die Hälfte der Bilanzsumme.

Wie setzt sich das Hypothekarportfolio der Zürcher Kantonalbank zusammen?

Das Hypothekarportfolio umfasst im Wesentlichen die Segmente «Wohnen» und «Gewerbe», die jeweils in selbst genutzt und vermietet unterteilt sind. Finanzierungen an die Besitzer von selbst genutzten Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen sind mit rund 45 Milliarden Franken das grösste Segment. Annähernd so gross sind Finanzierungen für die Gruppe der Wohnbaugenossenschaften, institutionellen und privaten Investoren. Die Hypotheken für selbst genutzte und vermietete Gewerbeobjekte betragen rund 15 Milliarden Franken.

Wie sicher ist das Hypothekarportfolio der Bank?

Die Zürcher Kantonalbank verfügt über ein qualitativ hochwertiges und sicheres Hypothekarportfolio. Nebst einer Konzentration auf den dynamischen Immobilienmarkt im Wirtschaftsraum Zürich trägt auch die moderate durchschnittliche Belehnung dazu bei. So liegen die Finanzierungen bei rund 90 Prozent der Immobilien bei maximal zwei Dritteln des von der Bank ermittelten Belehnungswerts.

Welche Kriterien gelten bei der Vergabe von Hypotheken?

Die Käuferin oder der Käufer muss beim Erwerb der Immobilie mindestens 20 Prozent Eigenkapital aufbringen und die Hypothek innerhalb von 15 Jahren auf mindestens zwei Drittel des Belehnungswertes amortisieren. Darüber hinaus reduzieren viele Immobilienbesitzerinnen und -besitzer ihre Hypothek aus eigener Initiative. Mit Blick auf den Belehnungsgrad des Portfolios führt dies zu einer Durchschnittsbelehnung, die auch Schwankungen im Preisgefüge des Immobilienmarktes aushält. In Bezug auf die Tragbarkeit wird bei der Hypothekarvergabe ein kalkulatorischer Zinssatz von 5 Prozent angewendet. Damit wird bei Gewährung der Finanzierung überprüft, ob diese auch bei einem langfristig höheren Zins tragbar ist.

Wie wahrscheinlich sind Ausfälle?

Über die letzten Jahre hinweg waren die Ausfälle im Hypothekargeschäft sehr gering mit Raten im Promillebereich. Bei Finanzierungen an Private liegen die grössten Risiken in persönlichen Lebensereignissen – wie etwa Arbeitsplatzverlust, Scheidung, Krankheit oder Todesfall. Die Geschichte lehrt uns jedoch, dass es auch in Zukunft wieder zu einer Immobilienkrise kommen kann. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben zu verschiedenen Massnahmen seitens der Regulatoren und Banken geführt, so gibt es heute strengere Eigenmittelvorschriften und die Rating- und Bewertungsmodelle wurden verbessert. Zudem wirken auch die Selbstregulierungsorganisationen zunehmend in Richtung einer verantwortungsvolleren Vergabepraxis.

Roger Müller, Leiter Risk

Derzeit sprechen die Immobilienpreise und Zinsen für eine Beruhigung der Preisdynamik.

Roger Müller, Leiter Risk

Aktuell ist der Immobilienmarkt sehr angespannt.

Derzeit sprechen die Immobilienpreise und Zinsen für eine Beruhigung der Preisdynamik. Die hohe Nachfrage nach Wohnraum, resultierend aus anhaltender Zuwanderung, abnehmender Bautätigkeit und geringer Arbeitslosigkeit, stabilisiert den Markt. Generell sind die Banken robuster aufgestellt und für Verwerfungen besser gewappnet. So wird auch in der Zürcher Kantonalbank das Hypothekarportfolio regelmässigen Stresstests unterzogen, und es wird geprüft, ob die Eigenmittel der Bank bei einer Immobilienkrise und verschiedenen Szenarien ausreichen. Die enge Zusammenarbeit mit dem Regulator und der Revision stärken zusätzlich das Vertrauen in die Bonität der Zürcher Kantonalbank.

Wie agiert die Zürcher Kantonalbank in diesem Umfeld?

Die Zürcher Kantonalbank gilt als eine der sichersten Universalbanken der Welt und wird von allen drei grossen Ratingagenturen mit der Bestnote bewertet. Sie hat vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, die Zürcher Bevölkerung mit Bankdienstleistungen zu versorgen. Dazu zählt auch die Immobilienfinanzierung. Diesen Auftrag nehmen wir mit einer verantwortungsvollen Vergabepolitik wahr.

Welche Auswirkungen hätten sinkende Immobilienpreise auf die Zürcher Kantonalbank und die Bevölkerung?

Sinkende Immobilienpreise bedeuten höhere Belehnungsgrade bei gleichbleibender Hypothek. Durch den substanziellen Anteil an Finanzierungen mit moderaten Belehnungsgraden besteht Spielraum für Schwankungen des Immobilienpreises – und allenfalls notwendige Massnahmen beschränken sich auf einen kleinen Teil des Ausleihungsportfolios. Im Dialog mit dem Schuldner werden tragfähige Lösungen gesucht, das könnten beispielsweise Zusatzamortisationen sein. Es ist nicht auszuschliessen, dass in der Konsequenz auch vermehrt Objekte auf den Markt kämen.

In welchem Szenario würden sinkende Preise zu einem Problem für die Bank?

Sämtliche von uns durchgeführten Stresstests zeigen, dass wir gut vorbereitet und robust aufgestellt sind. Auch in den von der Finanzmarktaufsicht vorgegebenen Szenarien, die sich an den Erfahrungen der Immobilienkrise der 90er-Jahren orientieren, ist unsere Bank ausreichend kapitalisiert.

Anfang der 1990er-Jahre platzte eine Immobilienblase. Wie ist die Lage heute im Vergleich zu damals?

Die Banken haben ihre Lehren daraus gezogen. Sie haben nicht nur das damalige, sehr bescheidene Risikomanagement substanziell ausgebaut, sondern auch die Vergabepraxis angepasst und die Eigenmittelvorschriften deutlich verschärft. Zudem sind wir mit den heutigen Zinsen noch weit vom damaligen Niveau entfernt, als Hypotheken durchschnittlich rund 7 Prozent kosteten.

Welche Auflagen bestehen im Zusammenhang mit dem Hypothekarportfolio?

Es gibt eine Reihe regulatorischer Bedingungen, angefangen bei der Festlegung des Belehnungswerts einer Immobilie über die notwendigen Eigenmittel beim Kauf bis hin zur Tragbarkeit. Zudem gibt es Vorschriften hinsichtlich der notwendigen Eigenmittel: So hat der Bundesrat beispielsweise per Anfang 2022 den antizyklischen Kapitalpuffer in seiner vollen Höhe von 2,5 Prozent aktiviert, um den Risiken entgegenzuwirken. Seither müssen die Banken zusätzliche Eigenmittel auf ihren Hypothekarbestand halten.

Mit welchen Mechanismen überwachen Sie die Vergabe von Hypotheken und verhindern das Eingehen von zu hohen Risiken?

Nebst den regulatorischen Vorgaben wird das Portfolio im Rahmen der ordentlichen Prüfungsaktivitäten ständig überwacht. Zudem wird das Regelwerk zur Vergabe von Hypotheken fortlaufend den sich verändernden Risiken gegenübergestellt und – falls notwendig – angepasst.

Welche Verantwortung trägt die Bank in der Beratung?

Wir vereinbaren mit unseren Kundinnen und Kunden nachhaltig tragbare Finanzierungslösungen und begleiten sie auch bei allfälligen unerwarteten Problemen. Mit dieser verantwortungsvollen Praxis stellen wir letztlich auch sicher, dass wir das Risiko von Zwangsverkäufen mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Preisbestimmung reduzieren können.