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«Die grösste Baustelle ist der Ausbau der Liquiditäts­versorgung»

Neue Regulierung, turbulente Märkte und sinkende Zinsen: Im Interview erklärt Finanzchef Dr. Martin Bardenhewer, wie diese Entwicklungen auch die Zürcher Kantonalbank aktuell prägen und was er sich für die Stärkung des Finanzplatzes wünscht.

Interview: Marco Schwarzenbach / Bilder: Simon Baumann

Dr. Martin Bardenhewer, Finanzchef der Zürcher Kantonalbank
Dr. Martin Bardenhewer, Finanzchef der Zürcher Kantonalbank

Herr Bardenhewer, viele Menschen fragen sich – gerade in diesen turbulenten Zeiten –, wie sicher ihr Geld bei der Bank ist. Gleichzeitig laufen in Bern die Arbeiten an der Bankenregulierung auf Hochtouren. Wie sicher ist der Schweizer Finanzplatz?

Der Bankensektor ist in den letzten 15 Jahren deutlich sicherer geworden. Das mag auf den ersten Blick und vor dem Hintergrund der CS-Krise 2023 wenig überzeugend klingen. Wir gingen schliesslich alle davon aus, dass so ein Fall nie wieder passieren könne. Doch machen wir einen Schritt zurück: Nach der globalen Finanzkrise von 2008 wurden Banken generell viel strenger reguliert als vorher. Man muss sich einmal vorstellen: 2008 gab es zum Beispiel keine nennenswerte Liquiditätsregulierung. Auch die Mindestvorgaben für Eigenkapital sind heute unter dem Strich um ein Vielfaches höher als die damals geltenden Regeln. Das hat das Finanzsystem weltweit und auch den Schweizer Bankenplatz sicherer gemacht. Für die sogenannten «Too big to fail»-Banken (TBTF) wurden zusätzlich strengere Regeln geschaffen. Hinzu kommt die Einlagensicherung, die aber schon länger existiert. Sie ist gerade für die kleineren Banken ein sehr wichtiges Element. Wir haben also in der Schweiz verschiedene Sicherungsmechanismen – und dadurch ein sicheres System.

Dennoch ist die Credit Suisse untergegangen.

Am Ende ist eine einzige Bank an sich selbst gescheitert. Die Gründe dafür: Missmanagement und im Verhältnis zu ihrer bewussten übermässigen Komplexität zu wenig Eigenmittel, verstärkt durch Fehlanreize im Vergütungsmodell. Dass das Hauptproblem bei der CS und ihrem Management selbst lag, schlussfolgerte auch die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), welche die Vorkommnisse um die CS-Übernahme umfassend untersucht hat. Sie spricht gar von Renitenz des Managements. Das hat nichts damit zu tun, dass der Finanzplatz instabil wäre. Vielmehr ist der Finanzplatz stabil und sicher.

Wir erwarten, dass der Bundesrat diesen Freitag, 6. Juni, seine Vorschläge zur Weiterentwicklung der Bankenregulierung präsentieren wird. Am meisten hört und liest man zum Thema Eigenkapital. Welche Anpassungen erwarten Sie hier und was würde dies konkret für die Bank und ihre Kundschaft bedeuten?

Während vor anderthalb Jahren noch Forderungen nach einer flächendeckenden Verdoppelung der Eigenmittelvorgaben die Runde machten, hat sich das Thema gelegt und konkretisiert. Am intensivsten wird die Frage diskutiert, wie mit einem internationalen Konzern und dessen ausländischen Tochtergesellschaften umzugehen ist. Davon ist die ZKB und damit auch unsere Kundschaft nicht betroffen, unsere internationalen Tochterfirmen fallen nicht ins Gewicht. Zudem übererfüllen wir unsere bisherigen Eigenmittelvorschriften sehr deutlich. Uns betreffen jedoch die Themen Verantwortung und Liquidität. Hier stellen wir uns Fragen zur konkreten Ausgestaltung eines Senior Managers Regimes: Ein schlankes und effizientes System unterstützen wir – ein Papiertiger oder gar ein System, in dem niemand mehr eine Senior Management-Position haben möchte, nicht.

Die Aufsicht über die Banken soll verstärkt werden, von neuen Kompetenzen und Instrumenten für die FINMA ist die Rede.

Diskutiert wird ein grosser Massnahmenkatalog von besserer Frühintervention bis hin zu einer Bussenkompetenz der FINMA gegenüber natürlichen Personen. Was wichtig ist: Die Probleme, die wir gesehen haben, lagen nicht an zu wenig Personal in der Aufsicht oder zu geringer Bussenkompetenz. Die Frage einer effektiven Aufsicht ist viel wichtiger als die Forderung nach einer personell möglichst breit aufgestellten Aufsicht.

Die Vergütung steht ebenfalls im Fokus.

Genau. Diskutiert wird die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für die Ausgestaltung von Vergütungssystemen. Klar sind wir immer kritisch, was die konkrete Ausgestaltung solcher Massnahmen betrifft. Im Grundsatz sind wir beim Thema aber entspannt. Das hat drei Gründe: Erstens ist es in unserem Modell der variablen Vergütung ausgeschlossen, dass jemand eine variable Vergütung erhält, wenn wir Verlust machen. Warum? Wir haben ein Gewinnbeteiligungsmodell. Zweitens haben wir eine starke Risikokultur. Das Risikomanagement unserer Bank beginnt bereits in der ersten Linie: Der Vertrieb, also die Kolleginnen und Kollegen, welche die Risiken nehmen, gehen nicht möglichst viele Risiken ein, bis sie dann von der Risikoeinheit gestoppt werden. Die Risikoeinheit setzt die Rahmenbedingungen, definiert die Limiten und kontrolliert diese. Doch wenn innerhalb dieser Rahmenbedingungen etwas falsch läuft, dann sind klar auch die Risikonehmenden verantwortlich. Erst recht, wenn jemand die Limiten verletzt. Der dritte Faktor ist unsere öffentliche Eigentümerschaft und unsere DNA als Bank mit gesetzlichem Leistungsauftrag. Wir müssen nicht alle drei Monate neue Kennzahlen zeigen. Wir können längerfristig denken. Banking ist ein langfristiges Geschäft. Banking ist Infrastruktur.

Welche Themen erachten Sie als die wichtigsten, um die Bankenregulierung sinnvoll weiterzuentwickeln?

Die grösste und wichtigste Baustelle ist der Ausbau der Liquiditätsversorgung, insbesondere die Schaffung einer dritten Verteidigungslinie durch die gesetzliche Verankerung eines «Public Liquidity Backstop» (PLB), einer staatlich abgesicherten Liquiditätshilfe. Zudem sollten wir Verantwortlichkeiten und Anreize so ausgestalten, dass sowohl Management als auch Eigentümer niemals das Interesse haben, in die Nähe einer sogenannten «Non-Viability», also an einen Punkt, an dem eine Bank nicht mehr überlebensfähig ist, zu kommen. Deshalb unterstützen wir ein – wie erwähnt – schlankes Senior Managers Regime und bessere gesetzliche Grundlagen für Vergütungssysteme. Mit Verbesserungen in diesen Bereichen können wir den Finanzplatz sinnvoll stärken und stabiler machen, ohne seine Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Dr. Martin Bardenhewer, Finanzchef der Zürcher Kantonalbank

Mit Verbesserungen in den Bereichen Liquidität, Verantwortung und Vergütung können wir den Finanzplatz sinnvoll stärken und stabiler machen, ohne seine Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.

Dr. Martin Bardenhewer, Leiter Geschäftseinheit Finanz der Zürcher Kantonalbank

Stichwort Schweizer Finanzplatz und Wettbewerbsumfeld: Lassen Sie uns diese Themen etwas vertiefen. Wir erleben aktuell sehr turbulente Zeiten. Welche Entwicklungen beeinflussen die Zürcher Kantonalbank zurzeit am stärksten und weshalb?

Es sind zwei: Am stärksten betrifft uns die Zinsentwicklung, schliesslich erzielen wir immer noch über 50 Prozent unserer Erträge im Zinsgeschäft. Zweitens sind es die Turbulenzen und Unsicherheiten an den Märkten. Sie beeinflussen einerseits unsere Erlöse im Kommissionsgeschäft und andererseits – und das ist noch wichtiger – treffen und verunsichern sie unsere Kundinnen und Kunden. Doch unser Vertrieb und unsere Expertinnen und Experten leisten hier grossartige Arbeit und stehen unseren Kundinnen und Kunden stets zur Seite.

Das Thema Zinsen hat in den letzten Monaten für viel Gesprächsstoff gesorgt. Auch die Expertinnen und Experten der Zürcher Kantonalbank prognostizieren wieder Null- und sogar Negativzinsen. Wie wirkt sich das auf die ZKB aus?

Zentral ist die Passivseite, meint primär die Einlagen unserer Kundinnen und Kunden: Wenn die Zinsen nah bei null sind und unsere Kundinnen und Kunden keine Null- oder gar Negativzinsen haben, sondern zwischen eins und zehn Basispunkten, dann ergibt sich keine Marge mehr auf der Passivseite. Bei Negativzinsen, die wir schon in der letzten Negativzinsphase nur bei sehr grossen Kunden weitergegeben haben, wird die Passivmarge noch weiter zusammengedrückt – sie kann sogar negativ werden. Ein zweiter Effekt, der den Zinserfolg beeinflusst, sind die Unterschiede zwischen den Laufzeiten zum Beispiel zwischen längerfristigen Hypotheken und kurzfristigen Spargeldern. Wenn die Zinskurve flach ist, also die Zinsen für lange Laufzeiten nicht höher sind als für kurze Laufzeiten, können wir diese Differenz in der Zinsbindung nicht mehr nutzen, um einen Beitrag zum Zinserfolg zu leisten.

Welche Alternativen nutzt die Bank, um sich weniger von den Zinserträgen abhängig zu machen?

Wir tun weiterhin das, was wir über die letzten 30 Jahre bereits sehr erfolgreich getan haben: Das Anlagegeschäft weiter ausbauen. Das ist nicht nur ein starkes Bedürfnis unserer Kundinnen und Kunden, sondern es ist eben auch wichtig, um unsere Abhängigkeit vom Zinsgeschäft zu reduzieren. Das Handelsgeschäft wollen wir anteilsmässig ungefähr auf dem gleichen Niveau halten. Das macht uns als sichere und stabile Universalbank aus.

Sie als CFO richten naturgemäss den Blick stets auch auf die Kostenseite. Wie geht die ZKB damit um, welche Entwicklungen beobachten Sie?

Ich darf sagen: Die Bank ist sehr gesund. Wenn wir zurückblicken, sind zwei Entwicklungen zu beobachten: Wir haben viel Rückenwind gehabt, generell auf den Finanzmärkten, und auch im Bankwesen. Und wir haben in den letzten Jahren stark investiert. Jetzt gilt es, diszipliniert zu bleiben. Die Erlöse werden nicht mehr so stark wachsen wie bisher, der Rückenwind lässt also nach. Unser Ziel muss es sein, die Kosten flach zu halten und neue Investitionen mit dem bestehenden Kostenniveau umzusetzen. So halten wir uns fit für die Zukunft und müssen bei unerwarteten Ereignissen nicht gleich ins «Cost Cutting» gehen.

Fahrplan zur Weiterentwicklung der Bankenregulierung

Der Bundesrat hat im April 2024 einen umfassenden Bericht zur Bankenstabilität veröffentlicht, in dem er zahlreiche Massnahmen vorschlägt, um die Regulierung nach der CS-Krise weiterzuentwickeln. Die parlamentarische Untersuchungskommission hat ihren Bericht Ende 2024 veröffentlicht und Empfehlungen sowie politische Vorstösse zur Regulierung präsentiert. Diese politischen Vorstösse wurden in der Frühjahrsession der eidgenössischen Räte alle an den Bundesrat überwiesen. Der Bundesrat wird voraussichtlich diesen Freitag, 6. Juni 2025 diese Massnahmen konkretisieren. Er wird ein Papier mit Eckwerten für eine Gesetzesvorlage verabschieden und eine Revision der Eigenmittelverordnung (ERV) in die Vernehmlassung schicken. Die Gesetzesvorlage soll im Frühjahr 2026 ebenfalls in die Vernehmlassung gehen und Ende 2026 soll die Beratung im eidgenössischen Parlament starten.

Gibt es auch Faktoren, die punkto Kostenseite alle Banken betreffen?

Es sind aktuell zwei Faktoren: Erstens spüren wir die höheren Refinanzierungskosten. Wir spüren diese, weil wir unsere Hypotheken nicht vollständig mit Spargeldern refinanzieren können, denn Hypotheken wachsen schneller als Spareinlagen – erst recht bei tiefen Zinsen. Zweitens investieren alle Banken grundsätzlich mehr in ihre Prozesse und ins operationelle Risikomanagement. Das sind notwendige und richtige Investitionen, aber eben ohne Erlöse. Diese Investitionen helfen uns, besser auf kritische Ereignisse wie zum Beispiel Cyber-Angriffe vorbereitet zu sein, die unsere Operationen für mehrere Tage lahmlegen könnten.

Diese Investitionen sind bei der ZKB sicher auch von besonderer Relevanz, da sie eine von vier «systemrelevanten» Schweizer Banken ist. Können Sie erläutern, was das konkret bedeutet?

Vorab, warum wir systemrelevant sind: Die Zürcher Kantonalbank ist systemrelevant, weil unser Ausfall die inländische Realwirtschaft schädigen könnte. Wir sind im Einlage- und Kreditgeschäft sowie im Zahlungsverkehr ein bedeutender Akteur und ein Wegfall unsere Dienstleistungen hätte schwerwiegende volkswirtschaftliche Folgen. Das bedeutet für uns – und das ist vollkommen richtig – zuallererst einmal, dass wir mehr Eigenkapital halten müssen als nicht-systemrelevante Banken. Zweitens halten wir wegen der TBTF-Regeln rund 50 Milliarden – fast einen Viertel unserer Bilanz – als Liquiditätspuffer, um einen Bank-Run auch in mehreren Wellen überstehen zu können. Das ist unsere eigentliche Lebensversicherung: Unsere Kundinnen und Kunden wissen, dass die Zürcher Kantonalbank über die Staatsgarantie hinaus stark kapitalisiert ist und über einen sehr hohen Liquiditätspuffer verfügt. Deshalb ziehen sie ihre Gelder in kritischen Zeiten nicht ab. Die Schwere einer Finanzkrise hat immer damit zu tun, wann, in welcher Geschwindigkeit und in welchem Ausmass Gelder abgezogen werden.

Und wie steht die ZKB denn aktuell da?

Da lohnt sich ein Blick in unseren jüngsten Offenlegungsreport: Mit einer «Total Loss Absorbing Capacity» (TLAC), einer Fähigkeit Verluste zu absorbieren, von 30,6 Prozent und einer «Liquidity Coverage Ratio» (LCR), einer Quote für kurzfristige Liquidität, von 135 Prozent übererfüllen wir die regulatorischen Vorgaben deutlich. Wir stehen also sehr gut da – und das ist ganz wichtig – nicht nur wegen der Staatsgarantie. Diese kommt als Element noch obendrauf. Wir sind «stand alone» auch äusserst sicher. Es gibt keine Universalbank auf der Welt, die sicherer ist als wir.

Sie erwähnen die Staatsgarantie – wie würde diese konkret funktionieren? Der Kanton Zürich hat kaum die finanziellen Möglichkeiten, sämtliche Verpflichtungen in der Bilanz der ZKB zu decken.

Ich beginne zuerst mit zwei Dingen, die der Kanton nicht machen würde beziehungsweise nicht machen kann: Erstens, der Kanton würde nicht warten, bis die Zürcher Kantonalbank am Ende steht und dann über 100 Milliarden Forderungen von Kunden übernommen werden müssen – so hoch sind die Einlagen bei der Zürcher Kantonalbank. Der Kanton würde viel früher intervenieren. Zweitens, der Kanton kann keinen Bank-Run abdecken. Er kann nicht innert kürzester Zeit 20, 30 Milliarden Liquidität beschaffen.

Was macht der Kanton denn nun genau?

Falls die ZKB – völlig gegen jede Erwartung, das möchte ich betonen – stark an Eigenkapital verlieren würde, dann würde der Kanton eingreifen und die Bank rekapitalisieren, damit sie wieder die regulatorischen Vorgaben erfüllte. Dazu ist er in der Lage, auch in kurzer Zeit. Es gibt dafür einen expliziten Plan. Der ist nicht öffentlich, aber er ist genau abgestimmt und stellt sicher, dass der Kanton handeln kann.

Und wie ist die ZKB denn gegen einen Bank-Run vorbereitet, wenn der Kanton einen solchen nicht abdecken kann?

Dafür ist es eben wichtig, dass wir den schon erwähnten Liquiditätspuffer von rund 50 Milliarden halten. Zusätzlich haben wir in substanziellem Umfang weitere Sicherheiten zur Verfügung, gegen die uns die SNB im Notfall weitere Liquidität gewähren könnte, die sogenannte «Emergency Liquidity Assistance» (ELA). Und dann wird im eidgenössischen Parlament wie erwähnt der «Public Liquidity Backstop» (PLB) diskutiert. Dies ist eine Lücke, da haben wir noch Potenzial im System. Einfach erklärt ist ein PLB eine letzte Massnahme, dass – wenn alle vorherigen Massnahmen nicht ausreichen und die Bank mit einem von der FINMA beauftragten Management bereits z.B. in einem formellen Sanierungsverfahren ist – die SNB noch einmal Liquidität zur Verfügung stellen kann, auch ohne Sicherheiten der Bank. Die Sicherheit gibt in dem Fall der Bund der SNB. Eine Bank, die den PLB bezieht, wird dann aber mit sehr restriktiven Auflagen und Massnahmen konfrontiert.

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