Schweizer Bambusmentalität
Christoph Schenk, Chief Investment Officer (CIO) der Zürcher Kantonalbank, schreibt in seiner Kolumne rund ums Thema Geld und Anlegen.
Text: Christoph Schenk / Porträtillustration: Florian Bayer | aus dem Magazin «ZH» 3/2025
So wie der Bambus ist auch die Schweiz: stark, biegsam und kaum zu brechen. Diese Eigenschaften prägen unser Land seit Jahrzehnten, hat es doch in seiner Geschichte viele tief greifende Erschütterungen überstanden. Beispielsweise den Frankenschock, die Finanzkrise oder die Covid-Pandemie. Die US-Strafzölle auf Schweizer Importe sind zwar ein Schock, doch zeigte sich die Schweiz in der Vergangenheit eben immer wieder widerstandsfähig. Man könnte sagen, sie besitze eine Bambusmentalität. Doch was bedeutet das?
Bambus zeichnet sich durch schnelles Wachstum, hohe Stabilität, Elastizität und flexible Einsatzmöglichkeiten aus. Genauso flexibel reagierte die Schweiz stets auf grosse Herausforderungen, richtete sich nach Krisen rasch wieder auf und blieb ihren Grundwerten treu. Unter anderem sind Freiheit und Demokratie, Gemeinwohl und innerer Zusammenhalt essenzielle Wurzeln, welche der Schweiz Stabilität verleihen. Wie der Bambus zeigt sie bei Sturm Stärke, indem sie sich flexibel mitbewegt, anstatt sich dagegenzustemmen und Schaden zu nehmen.
So zeigt sich: Flexibilität und Verwurzelung sind hier keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Ohne Wurzeln wäre Anpassung Beliebigkeit, ohne Flexibilität würde Verwurzelung zu Starrheit. Unser Land hat gelernt, biegsam und flexibel zu sein, ohne dabei seine Identität zu verlieren. Auch wenn im Zollstreit gerade ein heftiger Wind weht, wird der Bambus daran nicht zerbrechen.