Das Dollar-Endspiel

Die US-Währung ist so stark wie seit 20 Jahren nicht mehr. Der EUR/USD-Kurs hat bereits Parität erreicht. Wie könnte sich der USD weiterentwickeln? Was spricht für einen weiteren Anstieg und was bräuchte es für eine baldige Trendwende bei der US-Währung? Erfahren Sie mehr in der Analyse von Elias Hafner, Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank.

Text: Elias Hafner

Dollar-Noten
Momentan ist es schwierig, sich eine abrupte Trendwende beim US-Dollar vorzustellen. (Bild: Pexels / Pixabay)

Der US-Dollar (USD) legte über die letzten Wochen weiter zu und stieg gegenüber dem Euro (EUR) auf ein 20-Jahres-Hoch. Auch der Dollarindex, der die Entwicklung der US-Währung gegenüber sechs Hauptwährungen abbildet, notiert auf dem höchsten Stand seit zwei Dekaden. Momentan ist es schwierig, sich eine abrupte Trendwende beim USD vorzustellen.

Anderseits ist angesichts der hohen Bewertung der US-Währung und des bereits starken USD-Engagements der Investoren die Luft nach oben sicherlich dünner und die Fallhöhe nach unten grösser geworden. Der EUR/USD-Kurs hat bereits Parität erreicht. Wie könnte sich der USD weiterentwickeln? Was spricht für einen weiteren Anstieg und was bräuchte es für eine baldige Trendwende bei der US-Währung?

Breit abgestützte US-Dollar-Stärke

Um den weiteren Verlauf der US-Währung abzuschätzen, sollte zuerst die aktuelle USD-Stärke unter die Lupe genommen werden. Der Aufwärtstrend der US-Währung, der seit Anfang 2021 anhält und nur durch kurze Verschnaufpausen unterbrochen wurde, ist durch verschiedene Faktoren getrieben.

Erstens haben sich die USA früher und kräftiger von der heftigen Coronarezession erholt als andere Industrienationen. Die US-Wirtschaft bewegt sich seit geraumer Zeit über dem Vorpandemiepfad. Dies hat zweitens auch dazu geführt, dass die US-Notenbank Fed angesichts des äusserst starken Arbeitsmarktes und der gestiegenen Inflationsraten früher als viele andere Notenbanken einen restriktiveren Ton angeschlagen hat, insbesondere auch als die Europäische Zentralbank (EZB). Zuletzt hat das Fed Entschlossenheit gezeigt, die nochmals höhere Inflation entschieden zu bekämpfen. Drittens ist der US-Wirtschaft über die letzten Quartale zugutegekommen, dass die USA mittlerweile im Energiebereich nahezu autark sind. Zwar lasten die hohen Treibstoffpreise ebenfalls auf dem Konsum. Die USA sind aber inzwischen ein grosser Exporteur von Flüssigerdgas, was sich positiv auf den Aussenhandel auswirkt. Viertens sind über die letzten Wochen und Monate zunehmend globale Rezessionsängste am Markt aufgekommen, welche die Nachfrage nach dem USD als sicheren Hafen steigerten.

Der USD kann noch stärker werden

Folgende Faktoren könnten dem USD zusätzliche Unterstützung geben:

  • Rezession global / Eurozone: Die aggressive geldpolitische Straffung des Fed wird die US-Wirtschaft an den Rand einer Rezession bringen. Sollte sich das Wachstum in den anderen Industrienationen allerdings ähnlich stark abschwächen oder gar negativ ausfallen, dann würde dies die Nachfrage nach dem sicheren Hafen USD weiter steigern.
  • Energiekrise Europa: In diesem Zusammenhang stellt insbesondere das Szenario einer Energiekrise in Europa ein Risiko dar. Sollte die europäische Wirtschaft aufgrund einer weiter gedrosselten Gas- und Ölversorgung aus Russland nochmals durch höhere Preise belastet werden oder käme es gar zu einer Rationierung der Mengen, wäre mit einer Rezession in Europa zu rechnen. Dies würde weitere Argumente für die US-Währung liefern.
  • Zögerliche Notenbanken: Auch bestünde weiteres USD-Aufwärtspotenzial, sollten andere Notenbanken weiterhin zögerlich vorgehen – sprich die Bank of Japan (BoJ) unnachgiebig bleiben und die EZB weiterhin Entschlossenheit vermissen lassen und die Geldpolitik nur zaghaft straffen. Zudem besteht das Risiko, dass die anderen angelsächsischen Notenbanken (Bank of England (BoE), Bank of Canada (BoC) und Reserve Bank of Australia (RBA)) aufgrund von Bedenken um die Konjunktur und um den Häusermarkt nicht mit gleicher Konsequenz den Pfad der Inflationsbekämpfung zu Ende gehen werden.

Auch eine Trendwende scheint möglich

Umgekehrt könnte der Wendepunkt zu einer USD-Abschwächung über verschiedene Kanäle initiiert werden:

  • Entdollarisierung: Zu Beginn des Krieges in der Ukraine wurde aufgrund der von den USA ausgesprochenen Sanktionierung der russischen Währungsreserven und der tendenziell noch stärkeren geopolitischen Blockbildung eine beschleunigte Abkehr vom USD als globale Leitwährung ins Spiel gebracht. Angesichts der Dominanz des USD und des tiefen Gewichts der chinesischen Währung auf dem internationalen Devisenmarkt dürfte längerfristig der Währungskuchen durchaus breiter verteilt werden. Dies ist allerdings ein langfristiger Prozess. Kurzfristig halten wir es für wenig wahrscheinlich, dass die «Entdollarisierung» die Trendwende beim USD auszulösen vermag. 
  • Höhepunkt der restriktiven Haltung des Fed: Wahrscheinlicher ist hingegen, dass die Erwartungen an das Fed nicht mehr stark zulegen und bald der Höhepunkt der restriktiven Haltung erreicht ist. Wir erwarten, dass das Fed bis Ende Jahr die Zinsen auf 4 Prozent erhöhen wird, was mehr ist, als der Markt zurzeit eskomptiert. Zentral dabei ist die Annahme, dass sich bis in den Herbst hinein keine klaren Anzeichen eines Inflationsrückgangs zeigen werden. Die Inflationszahlen werden daher dafür entscheidend sein.
  • Kompromiss innerhalb der EZB: Ein anderer Kanal, der zu einer Abschwächung des USD führen könnte, ist ein Kompromiss innerhalb der EZB. Falls man sich unter den Währungshütern darauf verständigen könnte, einerseits die Zinsen schneller zu erhöhen und sich damit der Inflation konsequenter entgegenzustellen, aber anderseits mit grossangelegten Anleihenkäufen die Renditeanstiege bei den Peripheriestaaten in Schach zu halten, würde dies den EUR stützen und eine härtere Konkurrenz für den USD darstellen. Die nächste EZB-Sitzung findet am 21. Juli statt.
  • «REPowerEU»: Es würde den EUR/USD-Kurs auch stützen, wenn es Europa gelänge, die Energieversorgung für den Winter bereits im Herbst sicherzustellen, sei es aus Russland oder über andere Quellen. Dafür mitentscheidend wird sein, wie gut die europäischen Gasspeicher über die nächsten Wochen und Monate gefüllt werden können.
  • Weltöffnung: Schliesslich könnte eine schnellere Öffnung der Weltwirtschaft als erwartet das globale Wachstum stützen und so die Nachfrage nach USD reduzieren. Dies schliesst mit ein, dass in China über die nächsten Monate grössere Lockdowns vermieden werden können und sich generell Lieferengpässe, unter denen insbesondere die industrielastigen Volkswirtschaften seit Quartalen leiden, sich nun zügiger als angenommen auflösen. Generell würde sich negativ auf den USD auswirken, wenn die Konjunktur ausserhalb der USA sich besser hielte als in den Vereinigten Staaten.

Konjunkturseitige Aufwärtsrisiken für den USD

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die weitere Entwicklung des USD über die nächsten Wochen und Monate vor allem durch zwei Faktoren bestimmt wird: die relative Geldpolitik des Fed gegenüber dem Rest der Welt und die Frage, ob eine Rezession insbesondere in der Eurozone vermieden werden kann. Die übrigen angelsächsischen Notenbanken dürften vorerst ihre Geldpolitik weiter normalisieren, im Fall der BoC und auch der RBA in raschem Tempo. Entscheidend wird daher, ob die EZB bald ein überzeugendes Paket präsentieren kann, das sowohl eine schnellere Anhebung der Leitzinsen zulässt als auch gleichzeitig die Renditerisiken bei den Peripherieländern begrenzt.

Insgesamt sind bei der EZB sicherlich Überraschungen für die EUR/USD-Entwicklung in beide Richtungen möglich und stark von der Kompromissbereitschaft der verschiedenen Lager innerhalb des geldpolitischen Rates abhängig. Konjunkturseitig ist aber die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Europa weiter angestiegen, was nicht zuletzt auf die angespannte Situation auf dem Erdgasmarkt zurückzuführen ist. Insgesamt hat damit auch das Risiko eines noch stärkeren Falls des EUR/USD-Kurses zugenommen. Zeichnet sich über die nächsten Monate ab, dass in Europa Unternehmen und Haushalte sogar Gas rationieren müssen, dann ist mit einer tiefen Rezession in der Eurozone zu rechnen. In diesem Szenario dürfte der EUR/USD-Kurs sichtlich unter Parität fallen.

In der etwas ferneren Zukunft dürften die wärmeren Temperaturen im nächsten Frühling zwangsläufig das Gasproblem in Europa zumindest unmittelbar entschärfen. Bis dahin sollten sich auch die Lieferengpässe weiter reduziert haben, was das Wirtschaftswachstum global und insbesondere in Europa Mitte nächstes Jahr wiederbeleben dürfte. Überdies sollte das Fed dann seinen Leitzinserhöhungszyklus längst abgeschlossen haben, während die EZB weiter an der Zinsschraube dreht. Vor diesem Hintergrund dürften spätestens dann die Chancen gut stehen dafür, dass der USD sein Zyklushoch überschritten hat.

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