Was ist Gentrifizierung?

Die Transformation urbaner Viertel durch Gentrifizierung führt zu einer Neugestaltung von Wohn- und Geschäftsräumen, beeinflusst die Mietpreisdynamik und modifiziert das soziale und kulturelle Gefüge von Städten. Diese Entwicklung wird global beobachtet und bringt sowohl ökonomische Chancen als auch Herausforderungen im sozialen Kontext.

Text: Andreas Guntli

Die Transformation urbaner Viertel durch Gentrifizierung führt zu einer Neugestaltung von Wohn- und Geschäftsräumen, beeinflusst die Mietpreisdynamik und modifiziert das soziale und kulturelle Gefüge von Städten. (Bild: Getty Images)

Stellen Sie sich vor, Sie schlendern durch das Viertel, in dem Sie aufgewachsen sind, das sich nun aber nach Jahren in völlig neuem Gesicht präsentiert. Strassenzüge und Plätze, einst bunt durchmischt mit lebhaften Märkten, familiengeführten Läden, geprägt von kleinen Handwerksbetrieben und Künstlerateliers existieren nicht mehr. Wo früher das alte Kino stand, lockt jetzt ein schickes, mondänes Café hippe Kundschaft an. Flogen damals Metall- und Holzspäne im altertümlichen Industriekomplex aus Backstein, entwickeln heute an gleicher Stelle Start-ups in modernen Denklaboren futuristische Konzepte und Software für die Konsumbedürfnisse von morgen.

Das neue Gesicht des Wandels

Günstiger Wohnraum in schlichten Behausungen findet sich nicht mehr, denn die Mietpreise in den neu gestalteten urbanen Entwicklungsgebieten sind für die alte Bewohnerschaft mittlerweile unerschwinglich geworden. Die Menschen von damals wurden verdrängt und sind weggezogen; nur wenige sind geblieben. Szenarien wie dieses kennt man in vielen Städten. Sie sind typische Beispiele für die Gentrifizierung, also die städtebauliche Entwicklung und Aufwertung urbaner Gebiete. Städtischer, zentrumsnaher Boden ist rar und teuer. Nicht selten wird eine Industriebrache zu einem modernen, mehrstöckigen Wohn- und Gewerbegebiet mit Park, Schulen, Freizeit- und Erholungsflächen transformiert. Die Gentrifizierung zeigt sich dabei als globales Phänomen.

Die Phasen der Gentrifizierung

Das verarbeitende Gewerbe weicht in die günstigere Peripherie aus, während Dienstleistungsbetriebe und zahlungskräftige Neubewohner nachrücken. Gentrifizierung verläuft in Phasen beginnend mit dem Zuzug von Pionieren, gefolgt von ersten Modernisierungen und schliesslich der Ansiedlung sogenannter «Gentrifier». Die durch Neubau oder Sanierung aufgewertete Infrastruktur sorgt für steigende Immobilienwerte und teurere Mieten. So wird aus einem früher wenig bevorzugten Quartier rasch attraktiver, nachgefragter Lebens- und Businessraum.

Der Berliner Stadtteil Kreuzberg ist ein Paradebeispiel für Gentrifizierung. War Kreuzberg früher ein multikultureller Bezirk mit alternativem Flair, zog er aufgrund seiner Kultur und Lage wohlhabendere Menschen an. Die stetige Entwicklung und Aufwertung führte zu stark steigenden Mieten und Immobilienpreisen. Alteingesessene Bewohner und Geschäfte wurden verdrängt, was im nunmehr stark veränderten Stadtteil zu Spannungen führte. In der Schweiz manifestiert sich die Gentrifizierung besonders in grossen urbanen Zentren wie Zürich, Genf und Basel.

Zwischen Investition und sozialer Verantwortung

Als Trend bietet die Gentrifizierung Investoren Anlagemöglichkeiten mit interessanten Renditechancen, da die Nachfrage nach Wohn- und Geschäftsräumen gerade auch durch die Zuwanderung stark steigt. Immobilienanlagen in aufstrebenden Quartieren sind attraktiv, bedürfen jedoch auch einer sozialen Verantwortung. Es gilt, das Gleichgewicht zwischen Rendite, Bewahrung des lokalen Charakters sowie einer sozialen Durchmischung zu finden. Dies schliesst ein, die Bedürfnisse langansässiger Bewohner zu berücksichtigen und einer Verdrängung entgegenzuwirken.

Hinsichtlich einer Zukunft mit weiterem Bevölkerungswachstum ist Gentrifizierung ein komplexes Thema und bedarf einer umsichtigen städtischen Entwicklung. Nicht nur in wirtschaftlichen Belangen, sondern auch bei der Berücksichtigung gesellschaftlicher Aspekte und Bedürfnisse. Den Chancen einer Revitalisierung und einer höheren Wohn- und Lebensqualität stehen Risiken durch soziale Abspaltung und Verdrängung einkommensschwächerer Bevölkerungsschichten gegenüber.

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