Schweizer Wirtschaft drohen hohe US-Zölle
Die USA erhöhen überraschend die Zölle auf Schweizer Importe auf 39 Prozent – ein Rekordwert unter den Handelspartnern. Die Schweizer Wirtschaft sieht sich unerwartet hohen Belastungen und Risiken gegenüber. Erfahren Sie mehr dazu im Beitrag.
Text: Martin Weder und Simon Lustenberger

Das Weisse Haus hat am 31. Juli kurz vor Ablauf der Verhandlungsfrist im Handelskonflikt eine aktualisierte Liste mit neuen Zollsätzen veröffentlicht. Demnach sollen per 7. August neue länderspezifische Handelszölle zur Anwendung kommen, die von 10 Prozent bis 41 Prozent reichen. Obschon die Verhandlungen zwischen der Schweiz und den USA lange Zeit erfolgsversprechend aussahen und es bereits zu einer Einigung zwischen den beiden Handelsdelegationen gekommen war, drohen der Schweizer Wirtschaft nun unerwartet noch höhere US-Importzölle als bisher.
Der aktualisierten Liste zufolge ist für Güter aus der Schweiz künftig ein Zolltarif von 39 Prozent vorgesehen. Unter den wichtigsten Handelspartnern der USA wäre dies der mit Abstand höchste Importzoll. Er läge deutlich höher als für alle anderen europäischen Länder, wo Sätze zwischen 10 Prozent und 15 Prozent zur Anwendung kommen, und überträfe sogar den ursprünglichen Satz von 31 Prozent, der Anfang April am «Liberation Day» angekündigt worden war.
Handelsbilanzdefizit und teure Pharmaprodukte im Fokus
Der von US-Präsident Donald Trump extrem hoch angesetzte Zolltarif beruht weder auf einer ökonomischen noch rechtlichen Basis und ist somit willkürlich gewählt. Die Schweiz hat per 1. Januar 2024 alle Industriezölle abgeschafft. Das heisst, dass 99,3 Prozent aller Waren aus den USA zollfrei in die Schweiz exportiert werden können. Zudem gehört die Schweiz zu den grössten ausländischen Direktinvestoren in den USA. Zwar verzeichnet die Schweiz gegenüber den USA einen hohen Überschuss im Güterverkehr, was jedoch nichts mit unfairen oder einseitigen Handelspraktiken zu tun hat. Bei den Dienstleistungen ist es umgekehrt. Hier weist die Schweiz ein Handelsdefizit auf. Offenbar ist US-Präsident Trump vor allem der grosse Fehlbetrag der USA im Güterverkehr ein Dorn im Auge. Dieser belief sich im 1. Halbjahr 2025 auf rund USD 40 Mrd. Zudem erhöht er derzeit den Druck auf die grossen Pharmakonzerne, um in den USA für tiefere Medikamentenpreise zu sorgen. Ironischerweise ist der Handelsbilanzüberschuss der Schweiz hauptsächlich auf die beiden Bereiche Pharma und Gold zurückzuführen. Beide Güterkategorien sind bisher jedoch explizit von den US-Importzöllen ausgenommen, womit 70 Prozent aller Exporte nicht vom Zolltarif von 39 Prozent betroffen sind.
Wirtschaftliche Folgen
Sollten die angedrohten US-Importzölle tatsächlich umgesetzt werden und längere Zeit in Kraft bleiben, wäre für die Schweizer Wirtschaft mit weitreichenden negativen Folgen zu rechnen. Die USA waren im vergangenen Jahr mit einem Anteil von rund 19 Prozent noch vor Deutschland der grösste Exportmarkt der Schweiz. Branchen wie die Maschinen-, Elektronik- und Metallindustrie, die Nahrungsmittel- und die Uhrenindustrie wären bei derart hohen Importzöllen in den USA nicht mehr konkurrenzfähig. Sie würden in der Folge erhebliche Umsatzverluste erleiden, was auch zahlreiche Arbeitsplätze in der Schweiz gefährden würde. Gesamtwirtschaftlich entscheidend bleibt die Frage, ob Pharmaprodukte und Gold künftig ebenfalls von Zöllen erfasst werden oder nicht. In diesem Fall wäre in der Schweiz mit einer Rezession zu rechnen.
Einigung mit den USA?
Die Experten der Zürcher Kantonalbank rechnen unverändert mit einer Handelseinigung. Zum einen besteht noch ein Zeitfenster von einigen Tagen für erneute Verhandlungen. Zum anderen könnte es bei gutem Willen von beiden Seiten zu einer erneuten Fristverlängerung kommen. Die vergangenen Monate haben wiederholt gezeigt, dass derart hohe Zollandrohungen vor allem als Druck- und Verhandlungsmittel eingesetzt werden, aber letztendlich kaum zur Anwendung kommen. Dies auch deshalb, weil sich die USA damit wirtschaftlich selbst schaden würden. Das gilt vor allem für Pharmaprodukte, die Donald Trump verbilligen möchte. Zölle würden diese aber verteuern. Gemäss Zürcher Kantonalbank wächst die Schweizer Wirtschaft in diesem und im nächsten Jahr mit etwas mehr als 1 Prozent und die Schweizerische Nationalbank behält ihren Leitzins von 0 Prozent auf absehbare Zeit bei.
Auswirkungen auf Finanzmärkte
Die Aktienmärkte haben am vergangenen Freitag mit deutlichen Verlusten auf die Ankündigung von US-Präsident Trump reagiert. In Europa fielen die Verluste am grössten aus, aber auch in den USA trug die Kombination von neuen Zolldrohungen und enttäuschenden Arbeitsmarktdaten zum grössten Tagesverlust seit April 2025 bei. Die fallenden Renditen am US-Obligationenmarkt unterstreichen, dass die Konjunktursorgen in den USA wieder zunehmen. In der Schweiz ist nach dem Nationalfeiertag ebenfalls mit klaren Kursverlusten zu rechnen. Jedoch ist zu beachten, dass börsenkotierte Schweizer Unternehmen 90 Prozent ihrer Umsätze und Gewinne ausserhalb der Schweiz erzielen und das globale makroökonomische Umfeld trotz Handelskonflikt konstruktiv bleibt. Die grossen börsennotierten Unternehmen haben in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen, um mehr vor Ort zu produzieren und die Abhängigkeit vom Warenhandel zu reduzieren. Kleinere, exportorientierte Unternehmen aus der Uhren- und Maschinenindustrie sowie der Medizintechnik dürften in den nächsten Tagen grösseren Kursschwankungen ausgesetzt sein.