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KI für KMU: Das grosse Potenzial in kleinen Schritten nutzen

Der Umgang mit KI zählt für KMU aktuell zu den grössten Herausforderungen. Das zeigt die neue Studie «KMU ZH Monitor» der Zürcher Kantonalbank. Viele fragen sich: Wo anfangen? Die Initiative «KMU ZH» der ZKB stellt «KI für KMU» als Jahresthema ins Zentrum. KI-Experte Roger Basler de Roca gibt dazu Tipps und vermittelt sein Wissen in KMU ZH Praxisseminaren und an Frühstücksevents der ZKB.

Text: Ralph Hofbauer (AWP), Andreas Dürrenberger

Moderatorin Bigna Silberschmidt, Patrick Sulser und Christof Domeisen auf der Bühne im Zürcher Kaufleuten.
Stellten das neue Jahresthema von KMU ZH vor: Moderatorin Bigna Silberschmidt, Patrick Sulser und Christof Domeisen auf der Bühne im Zürcher Kaufleuten.

KI wird ein gewaltiges Einsparpotenzial attestiert. Studien von Beratungsunternehmen überbieten sich mit den Milliardenbeträgen, die ganze Branchen in naher Zukunft einsparen sollen. Entsprechend gross sind die Hoffnungen: «Wenn Unternehmen das Thema KI anpacken, sind die Erwartungen oft sehr hoch», sagt Roger Basler de Roca.

Der Realitäts-Check sorgt dann manchmal für Ernüchterung. So gross das Potenzial auch sein mag, die Technologie ist kein Wundermittel. «KI ist nur so gut wie die Daten, die sie füttern. In KMU fehlt häufig die Basis – strukturierte und qualitativ hochwertige Daten», sagt der KI-Experte und Dozent, der Unternehmen bei Pilotprojekten unterstützt.

Grundlagen für ein Pilotprojekt schaffen

Bei der Suche nach geeigneten Anwendungsbereichen sollte die Datenqualität das zentrale Kriterium sein. In Systemen für das Customer Relation Management (CRM) ist diese oft sehr hoch und deshalb ist der Kundenservice prädestiniert für ein erstes KI-Projekt. «Dort ist der Mehrwert besonders hoch, weil sich Aufwand und Reaktionszeiten stark reduzieren lassen. Auch in den Finanzen, dem Personalbereich oder im Marketing werden rasch erste Erfolge erzielt», sagt Roger Basler de Roca.

Egal in welcher Abteilung das Pilotprojekt starten soll – der KI-Experte empfiehlt KMU, ein Team mit Personen aus verschiedenen Abteilungen zu gründen. «Ein interdisziplinäres Team kann am besten bestimmen, wo KI den grössten Mehrwert stiftet und welche Lösung die passende ist.» Unternehmen haben heute die Qual der Wahl, denn die Palette an KI-Tools wird immer grösser. Microsoft Azure dominiert den Markt, doch manche Unternehmen nutzen auch Open-Source-Alternativen, um damit eigene Lösungen zu entwickeln.
 

Initiative «KMU ZH»: künstliche Intelligenz im Fokus

Zum fünften Mal hat die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Auftrag der ZKB die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Kanton Zürich gefragt, wo sie aktuell ihre grössten Herausforderungen sehen. In diesem Jahr nahmen rund 1200 KMU an der Studie «KMU ZH Monitor» teil – ein Rekord.

Nach wie vor beschäftigt der Umgang mit fehlenden Arbeitskräften die KMU am meisten.  Den grössten Zuwachs verzeichnete eine neue Herausforderung: Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI). Entsprechend hat sich der Beirat von KMU ZH entschieden, dies zum Jahresthema zu küren – 2026 steht also ganz im Zeichen von «KI für KMU».

Das neue Jahresthema wurde an der «KMU ZH Night» im Zürcher Kaufleuten vor 350 anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmern präsentiert. Zunächst ging es aber nicht um künstliche, sonderlich um menschliche Intelligenz. Neurowissenschaftlerin Dr. Barbara Studer bot in ihrer Keynote spannende Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, wie Unternehmen die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz fördern und ihren Mitarbeitenden den Umgang mit Veränderungen erleichtern können.

Im Anschluss stellten zwei Mitglieder des KMU ZH Beirats das neue Jahresthema vor: Patrick Sulser, Leiter Spezialberatungen und -finanzierungen bei der ZKB, und Christof Domeisen, VRP der Angst+Pfister Group. Der Umgang mit künstlicher Intelligenz zählt nicht nur zu den grössten Herausforderungen für KMU, sondern ist laut der Studie auch der Bereich, bei dem sie sich am meisten Unterstützung wünschen. Durch Praxisseminare und Frühstücksevents bringt die Zürcher Kantonalbank KMU das Thema «KI für KMU» anschaulich und leicht verständlich näher.

«Schatten-KI» mit Regeln eindämmen

Während die Unternehmen noch nach passenden Lösungen suchen, ist die Belegschaft häufig schon einen Schritt weiter: Mitarbeitende experimentieren mit den KI-Tools ihrer Wahl – teilweise ohne Wissen des Arbeitgebers. Jede Abteilung sucht nach Abkürzungen, setzt dafür andere Systeme ein und füttert diese unter Umständen mit sensiblen Daten. «Diese ‹Schatten-KI› ist ein Risko», mahnt der KI-Experte. «Bei einer Sorgfaltspflichtverletzung haftet der Arbeitgeber.»

Governance-Richtlinien für den Einsatz von KI sind deshalb zentral. «Die Geschäftsleitung sollte klare Rollen, Verantwortlichkeiten und Standards für den Umgang mit KI definieren», sagt Roger Basler de Roca. Das lohnt sich auch in strategischer Hinsicht: In Zukunft dürfte ein verantwortungsvoller Einsatz von KI zum Wettbewerbsvorteil werden – ähnlich, wie dies beim Thema Nachhaltigkeit bereits heute der Fall ist.

Portrait Roger Basler de Roca

KI ist nur so gut wie die Daten, die sie füttert.

Roger Basler de Roca, KI-Experte und Dozent

Umgang mit KI-Tools will gelernt sein

Neben Regeln braucht es auch Schulungen. Denn der Einsatz von KI ist teilweise nur vermeintlich effizient: «Es gibt viele Leerläufe», beobachtet Roger Basler de Roca. «Die Mitarbeitenden verlieren Zeit, weil sie die falschen Tools verwenden. Sie versuchen Grafiken mit Chat GPT zu erstellen, obwohl es dafür geeignetere Anwendungen gibt.»

Deshalb müssen Unternehmen durch Weiterbildungen KI-Expertise im Unternehmen aufbauen und dieses Wissen an alle Mitarbeitenden weitergeben. Dazu gehört auch: Ängste vor Jobverlust abzubauen und die Akzeptanz von KI im Unternehmen zu stärken. «Am besten gelingt dies mit einem erfolgreichen Pilotprojekt», sagt der KI-Experte. Dabei sollten die Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung und Verbesserung der Systeme einbezogen werden.

In 5 Schritten loslegen

  1. Bilden Sie ein interdisziplinäres KI-Team
  2. Stellen Sie Regeln für den Umgang mit KI auf
  3. Starten Sie ein überschaubares Pilotprojekt
  4. Bieten Sie Weiterbildungen und Schulungen an
  5. Etablieren Sie einen Standardprozess für KI-Lösungen

Einführung braucht einen langen Atem

Nach Abschluss des Pilotprojekts geht es darum, einen Standardprozess für KI-Lösungen zu etablieren. Darauf lässt sich der Einsatz schrittweise auf weitere Bereiche ausweiten. Ob KI-gestützte Empfehlungssysteme im Verkauf, Prozessoptimierung in der Logistik oder die Automatisierung der Qualitätskontrolle – die Möglichkeiten sind schier unbeschränkt. Selbst die Entwicklung völlig neuer Produkte oder Geschäftsmodelle ist denkbar.

«Man sollte aber nicht zu viel auf einmal wollen», gibt Roger Basler de Roca zu bedenken. «Die Einführung von KI ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess.» Gross denken darf man trotzdem: «KMU, die sich trauen, KI nicht nur als technisches Werkzeug, sondern als kreativen und strategischen Partner zu sehen, können nicht nur effizienter werden – sie können wachsen oder sich sogar neu erfinden.»