Unternehmensnachfolge: «Die Boomer-Welle rollt mit grosser Wucht an»
Die Nachfolge ist für viele KMU in der Schweiz ein emotionales und wirtschaftliches Schlüsselthema. Laut einer Studie der ZKB stehen in den nächsten fünf Jahren fast ein Drittel der Zürcher KMU vor einem Generationenwechsel. Nachfolge-Experte Marc Maurer erklärt, welche Hürden dabei auftreten und wie die ZKB ihre Kundinnen und Kunden unterstützt.
Interview: Andreas Dürrenberger / Bild: Simon Baumann
Marc Maurer, im Kanton Zürich gibt es rund 120'000 KMU. Gemäss der ZKB-Studie «KMU ZH Monitor» wird sich bei zehn Prozent dieser Unternehmen in den nächsten ein bis zwei Jahren die Frage der Nachfolge stellen. Rund 12'000 Unternehmen könnten demnach in neue Hände übergehen. Wie schätzen Sie diese Zahl ein?
12'000 KMU – das ist zweifellos eine beeindruckende Zahl. Noch eindrücklicher wird sie, wenn wir auch jene Unternehmen berücksichtigen, die sich innerhalb der nächsten fünf Jahre mit der Nachfolgethematik auseinandersetzen werden. Dann sind bereits 29 Prozent der KMU betroffen, also fast ein Drittel. Das ist deutlich mehr, als bisherige Studien gezeigt haben. Diese gingen eher von rund 20 Prozent aus. Unsere Studie hat diese Annahme nun klar korrigiert.
Wie lässt sich diese hohe Zahl erklären?
Bis 2029 wird die Generation der Babyboomer in Pension gehen. In diesem Jahr wird es in der Schweiz 30 Prozent mehr Pensionierungen als Eintritte in den Arbeitsmarkt geben. Das betrifft selbstverständlich auch die Inhaberinnen und Inhaber von KMU. Die Boomer-Generation hat in der Vergangenheit viele Unternehmen gegründet, deren Führung sie nun abgeben wird. Diese Erkenntnis ist nicht neu, da die demografischen Daten bekannt sind. Trotzdem hat uns in unserer Studie der hohe Anteil von fast einem Drittel der KMU mit Nachfolgethematik überrascht. Die Boomer-Welle rollt jetzt offenbar wirklich mit grosser Wucht an.
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Was sind die Folgen dieser Boomer-Welle?
Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, dass Firmen in die nächste Generation übergeben werden können. Es spielen jedoch viele verschiedene Faktoren eine Rolle. Nicht alle Unternehmerinnen und Unternehmer suchen eine Nachfolgelösung. 90 Prozent der Schweizer KMU sind Kleinstunternehmen mit maximal neun Mitarbeitenden. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere bei kleinen Unternehmen mit zwei bis drei Personen die Geschäftsmodelle und der Erfolg stark von einzelnen Personen abhängen. Solche Unternehmen lassen sich nur schwer verkaufen. Oft ist das auch gar nicht gewünscht, da die – häufig langjährigen – Mitarbeitenden ebenfalls im Pensionsalter sind. In solchen Fällen kann eine geordnete Liquidation durchaus sinnvoll sein.
Wie sieht es bei den grösseren Unternehmen aus?
Wenn überlebensfähige und erfolgreiche KMU aufgrund einer fehlenden Nachfolgelösung verschwinden, birgt das gewisse Risiken für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Unternehmerisches Know-how und Arbeitsplätze gehen verloren, das Steuersubstrat nimmt ab. Zwei Drittel der Erwerbstätigen in der Schweiz arbeiten bei KMU. Die Boomer-Welle sollte uns daher durchaus zu denken geben.
Wo liegen die Herausforderungen bei der Firmenübergabe?
An oberster Stelle der Herausforderungen steht die Suche nach einer geeigneten Nachfolgeperson. Das zeigt unsere Erfahrung aus der Praxis, und auch unsere KMU-Studie hat dies klar bestätigt. 42 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer betrachten dies als die grösste Herausforderung. Das betrifft nicht nur die Suche nach einem externen Käufer, sondern insbesondere auch die familieninterne Übergabe.
Woran liegt das?
Früher war es selbstverständlich: Der älteste Sohn übernahm das Familienunternehmen. Das ist heute längst nicht mehr der Fall. Die nachfolgende Generation geht oft ihren eigenen Weg. Die Karrierewege sind vielfältiger geworden, und vielleicht möchten jüngere Menschen auch nicht mehr so viel «chrampfen», wie sie es bei ihren Eltern erlebt haben. Unsere Beratungen zeigen: Familieninterne Nachfolgelösungen gehören emotional oft zu den anspruchsvollsten. Es geht dabei nicht nur um Zahlen und Fakten, sondern auch um Beziehungen und Emotionen. Was geschieht zum Beispiel mit den Kindern, die nicht ins Unternehmen einsteigen? Wie kann eine faire Lösung für alle Beteiligten gefunden werden?
Wie können sich Unternehmerinnen und Unternehmer auf die Nachfolgeplanung vorbereiten?
Wir empfehlen, sich frühzeitig mit der Nachfolgeplanung auseinanderzusetzen und eine Standortbestimmung vorzunehmen. Frühzeitig bedeutet im Idealfall zehn Jahre vor der Übergabe. Ziel ist es, die relevanten Themenfelder zu identifizieren, die auf sie zukommen könnten. Ein zentraler Bestandteil der Vorbereitung ist die offene Kommunikation innerhalb der Familie: Möchte und kann jemand die Leitung übernehmen? Oder liegt die Lösung in einer firmeninternen Nachfolge oder einem externen Verkauf? Es ist wichtig, genügend Zeit für verschiedene Varianten einzuplanen und einen Plan B in der Hinterhand zu haben.
Muss man tatsächlich zehn Jahre in die Nachfolgeplanung investieren?
Das klingt auf den ersten Blick nach viel Zeit. Und weil das Thema Nachfolge oft mit Emotionen verbunden ist, wird es gerne aufgeschoben. Doch diese Zeit ist tatsächlich notwendig: Vom ersten Gespräch bis zur operativen Übergabe dauert es bei familieninternen Lösungen im Durchschnitt etwas mehr als sechs Jahre. Und es vergehen weitere fünf Jahre, bis die abtretende Inhaberschaft tatsächlich nicht mehr aktiv im Betrieb mitwirkt. Bei der Übernahme durch Mitarbeitende ist der Zeitraum etwas kürzer. Für einen externen Verkauf sollte man mit etwa anderthalb Jahren rechnen. Bei allen Varianten kann es sinnvoll sein, sich externe Unterstützung zu holen. Denn es gibt viele Hürden, die bis zur erfolgreichen Übergabe bewältigt werden müssen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, Unternehmenswerte zu veräussern, die die Bilanz unnötig schwer machen. Ein Beispiel dafür ist der Verkauf von Liegenschaften, die betrieblich nicht zwingend erforderlich sind. Mit Blick auf die steuerliche Belastung beim Verkauf sollte auch die persönliche Vorsorge frühzeitig berücksichtigt werden. Dabei ist es wichtig, gewisse Fristen in der beruflichen Vorsorge einzuhalten.
Welche Rolle kann die ZKB beim Nachfolgeprozess spielen?
Da wir wissen, wie viel Zeit für eine Nachfolgeplanung erforderlich ist und mit den relevanten Themen bestens vertraut sind, sprechen wir unsere Kundinnen und Kunden im Rahmen der Standortbestimmung aktiv darauf an. Interne Lösungen – sei es die Übergabe an Familienmitglieder oder an Mitarbeitende – begleiten wir im Rahmen eines Mandats von A bis Z. Als Universalbank unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden sowohl in ihrer Rolle als Unternehmerinnen und Unternehmer als auch als Privatpersonen, beispielsweise bei der persönlichen Finanz- und Vorsorgeplanung. Auch die Käuferseite können wir eng begleiten und bei der Finanzierung unterstützen.
Hunziker Partner AG Technik im Gebäude: Gelungene firmeninterne Übernahme
Bei den mittleren und grösseren KMU gehört gemäss der ZKB-Studie das Finden des richtigen Kaufpreises und dessen Finanzierung zu den grössten Herausforderungen. Wie gehen Sie und Ihr Team bei Ihren Mandaten damit um?
Eine Nachfolge wird nur dann erfolgreich, wenn alle Beteiligten zufrieden sind. Deshalb führen wir in der Regel mit den Verkäuferinnen und Verkäufern und deren Familie, sowie den potenziellen Käuferinnen und Käufern aktiv Gespräche über Preis und Wert. Dabei spielen auf beiden Seiten oft viele Emotionen eine Rolle. Die Verkäufer möchten für ihr Lebenswerk eine angemessene Entschädigung erhalten. Ein Unternehmen kann jedoch nur florieren, wenn die Verschuldung nicht zu hoch ist. Eine Verschuldung kann zudem Ängste bei den Käufern auslösen. Eine fundierte Unternehmensbewertung kann helfen, diese Ängste zu verringern und das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu stärken. Bei der Moderation dieser Gespräche behalten wir stets die Interessen beider Seiten im Blick.