Private und berufliche Vorsorge gehen Hand in Hand

Eine neue BVG-Reform steht in den Startlöchern. Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen sollen die berufliche Vorsorge wieder auf solide Beine stellen. Katja Bartholet, Co-Geschäftsführerin des Pflegezentrums Gorwiden in der Stadt Zürich, und Vorsorgespezialistin, Silvia Wehrli, sprechen über künftige Herausforderungen sowie vergangene Anpassungen in der betrieblichen Vorsorge.

Text: Thomas Peterhans, Bild: Selina Meier | aus dem Magazin «Meine Vorsorge» 1/2021

Katja Bartholet und Silvia Wehrli haben zusammen die berufliche Vorsorge des Pflegezentrums Gorwiden optimiert und sensibilisieren die Mitarbeitenden für die private Vorsorge. Foto: Selina Meier
Katja Bartholet und Silvia Wehrli haben zusammen die berufliche Vorsorge des Pflegezentrums Gorwiden optimiert und sensibilisieren die Mitarbeitenden für die private Vorsorge.

Frau Bartholet, seit zehn Jahren ist Ihr Betrieb einer teilautonomen Sammelstiftung angeschlossen. Ihr Fazit?

Katja Bartholet: Der damalige Entscheid, die Vollversicherung zu kündigen und zu einer teilautonomen Sammelstiftung zu wechseln, war goldrichtig. Einerseits profitieren wir von einem einheitlichen Umwandlungssatz, was mir Sicherheit gibt. Andererseits konnten wir Kosten sparen, weil die Prämie bei gleichbleibenden Leistungen deutlich geringer ausfällt.

Können Sie die Einsparungen beziffern?

K.B.: Ja, die Risiko-/Verwaltungskosten wurden halbiert. Davon profitiert das Pflegezentrum als Institution, aber auch unsere Mitarbeitenden.

Sie, Frau Wehrli, haben den Wechsel begleitet. Wie kommt dieser Spareffekt zustande?

Silvia Wehrli: Bei einer teilautonomen Sammelstiftung trägt das angeschlossene Unternehmen die Anlagerisiken selbst. Diese sind bei der Vollversicherung mitversichert. Das kostet natürlich und schlägt sich in der Höhe der Prämie nieder. Fällt diese tiefer aus, sinken automatisch auch die Beiträge an die berufliche Vorsorge. Für die Angestellten bedeutet das: Sie haben mit dem heutigen Versicherungsmodell für die gleichen Leistungen Ende Monat mehr Lohn im Portemonnaie als bei einer Vollversicherung.

Wie hat das Pflegezentrum Gorwiden insgesamt profitiert, Frau Bartholet?

K.B: Dank den Einsparungen konnten wir Investitionen tätigen. Wir haben modernisiert, unsere Gebäude saniert und eine Liegenschaft zugekauft. Mit dem Wachstum haben wir uns auf stabile Beine gestellt, was wiederum Arbeitsplätze gesichert hat. Besonders freut mich, dass auch die Mitarbeitenden vom Wechsel finanziell profitieren. Denn bei der beruflichen Vorsorge sind uns enge Grenzen gesetzt – das BVG ist ein grosser Posten im Budget.

Dieser Posten dürfte in Zukunft noch wachsen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene BVG-Reform geht mit Mehrkosten für Unternehmen einher. Wie beurteilen Sie die jetzigen Pläne?

S.W.: Tatsächlich nimmt die finanzielle Belastung der Unternehmen zu, wenn die geplanten Reformvorschläge in der jetzigen Form umgesetzt würden. So soll der Koordinationsabzug, der den versicherten Lohn bestimmt, auf 12'443 Franken gesenkt werden. Vorgesehen ist auch eine Anpassung der altersabhängigen Sparbeiträge an die Pensionskasse.

Welche konkreten Folgen hätten diese Neuerungen?

S.W.: Die Senkung des Koordinationsabzugs bewirkt einen höheren versicherten Lohn und damit auch höhere Sparbeiträge. Das bedeutet: mehr Lohnabzüge bei Arbeitnehmenden und höhere Lohnkosten bei Arbeitgebern. Die vorgesehene Anpassung der Lohnbeträge soll bewirken, dass ältere Mitarbeitende tendenziell weniger Betriebsaufwand generieren. Bei Personen im Alter zwischen 25 und 44 Jahren werden die Kosten aber steigen.

Welche Folgen hätte dies für Ihr Budget, Frau Bartholet?

K.B.: Die Kostensituation würde sich klar verschärfen. Die Mehrheit unserer Mitarbeitenden gehört zur mittleren Altersgruppe, die sich verteuert. Dies im Budget entsprechend zu berücksichtigen, würde für uns eine grosse Herausforderung darstellen.

S.W.: Genau deshalb ist es meine Aufgabe, unsere Kundinnen und Kunden frühzeitig über solche Entwicklungen zu informieren und ihnen aufzuzeigen, wo Handlungsbedarf besteht.

Kern der Vorlage ist aber die Senkung des Mindestumwandlungssatzes.

S.W.: Genau. Dieser soll von 6,8 auf 6,0 Prozent gesenkt werden. Das ist weitgehend unbestritten. Mit dem heutigen Satz von 6,8 Prozent reicht das gemäss den gesetzlichen Vorgaben angesparte Kapital im Schnitt für rund 16 Jahre Rentenleistung. Das ist zu wenig, weil die durchschnittliche Lebenserwartung heute längst über diese Zeitspanne hinausreicht.

Welche Folgen hätte diese Senkung für einen Betrieb?

S.W.: Sie müssen sich mit einer Anpassung der Sparpläne auseinandersetzen oder damit, dass die Mitarbeitenden früher zu sparen beginnen – bereits ab 23 Jahren statt erst ab 25. Das sind aber Zusatzkosten, die nicht von jeder Firma übernommen werden können.

Wie behandelt das Pflegezentrum Gorwiden dieses Thema?

K.B.: Wir sprechen im Stiftungsrat häufig darüber. Um Renteneinbussen so klein wie möglich zu halten, kommt etwa eine einmalige Einlage von uns als Arbeitgeberin infrage. Oder wir versuchen, die Mitarbeitenden zu motivieren, mit steuerbegünstigten Einkäufen das Alterskapital zu erhöhen und somit auch die Altersrente. Besonders wichtig finde ich, dass die Mitarbeitenden wissen: Sie müssen auch privat vorsorgen.

Wie gehen Sie genau vor?

K.B.: Ich spreche direkt mit den Mitarbeitenden oder an gemeinsam mit Silvia Wehrli organisierten Mitarbeitenden-Info-Anlässen. Ich weiss aber, dass Menschen aus anderen Kulturkreisen viel Geld in ihre Heimat schicken und für die private Vorsorge kaum etwas übrigbleibt. Viele kehren bei Erreichen des Rentenalters auch wieder in ihre Heimat zurück …

S.W.: … und entscheiden sich häufig für das Kapital. Trotzdem kann man die Wichtigkeit der Säule 3a nicht genug betonen. Denn AHV und Pensionskasse allein werden für viele einfach nicht reichen. Die private Vorsorge ist leider noch nicht so weit verbreitet, wie oft angenommen wird.

Tipps der Expertinnen

Die Kundin: Katja Bartholet, Co-Leiterin privates Pflegezentrum Gorwiden Zürich

Katja Bartholet ist mitverantwortlich für 100 Mitarbeitende sowie deren BVG-Leistungen. Ihr Tipp: 

"Fragen rund ums BVG sollten proaktiv thematisiert werden. Sowohl im persönlichen Gespräch mit den Mitarbeitenden als auch an Info-Veranstaltungen. Je besser jemand informiert ist, desto grösser ist die Einsicht, dass man auch privat vorsorgen sollte." 

Die Expertin: Silvia Wehrli, Teamleiterin Berufliche Vorsorge Brokerage bei der Zürcher Kantonalbank

Silvia Wehrli ist Vorsorgespezialistin. Ihr Tipp:

"Die BVG-Reform dürfte die Kostensituation für viele Betriebe verschärfen. Deshalb ist es sinnvoll, sich frühzeitig mit den Folgen für das eigene Geschäft zu befassen."

 

Darauf kommt es an

Versicherungsmodell prüfen

Um die passende Altersvorsorge bereitzustellen, sollte das aktuelle Versicherungsmodell regelmässig auf dem Prüfstand stehen.

BVG-Reform-Folgen kennen

Gut vorbereitet ist, wer die möglichen Auswirkungen politischer Entscheide frühzeitig kennt und Massnahmen in der Hinterhand hat, um darauf zu reagieren.

Private Vorsorge stärken

Drei Säulen sind solider als zwei. Wer frühzeitig in die Säule 3a einzahlt, profitiert zweifach: Steuern sparen im Hier und Jetzt und Renditechancen steigern für ein grösseres finanzielles Polster im Alter.

Proaktiv informieren

Die Altersvorsorge wird in vielen Betrieben kaum thematisiert. Das kann man einfach ändern, indem gemeinsam mit der Bank Infoanlässe organisiert werden.

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