In 30 Sekunden vom Anzug in die Schutzkleidung

Als gebürtiger Zumiker, der tagsüber meist in der Stadt Zürich weilt, wollte er den Bezug zu seiner Wohngemeinde nicht verlieren. Da hat man die Wahl zwischen Turnverein und Feuerwehr – er hat sich vor 20 Jahren für die Feuerwehr entschieden. Im Rahmen unserer Serie «Jenseits der Nadelstreifen» empfängt uns Thomas Uebersax, Filialleiter in Zürich Nord, im Schutzanzug als Kommandant der freiwilligen Feuerwehr Zumikon/Küsnachterberg.

Text: Köchle Othmar / Bilder: Simon Baumann

Seit Anfang 2024 ist Thomas Uebersax Kommandant der Feuerwehr Zumikon/Küsnachterberg.

Wir schreiben das Jahr 2003. Thomas Uebersax hat sich entschieden, bei der freiwilligen Feuerwehr in seiner Wohngemeinde Zumikon vorstellig zu werden und dort einen Beitrag zu leisten. Kurz darauf absolviert er einen Fitnesstest, den er besteht, macht eine Grundausbildung – und während eines Jahres nimmt er an ersten Übungen teil. Dabei lernt er die Schutzkleidung kennen und macht sich mit dem Material vertraut, lernt, wie man richtig vorgeht bei der Rettung und Bergung von Menschen, bei Wasser- oder Ölschäden und vieles mehr.

Er liegt zuhause im Bett, als sich sein Pager ein erstes Mal meldet. Jetzt muss es schnell gehen. In fünf Minuten hat er im Depot zu sein. Weitere 30 Sekunden später sitzt er umgezogen und einsatzbereit im feuerwehreigenen Sanitätsfahrzeug und es geht mit Blaulicht zu einem schweren Verkehrsunfall. Die Feuerwehr ist meistens zuerst vor Ort und hat die Aufgabe, Personen aus den Fahrzeugen zu befreien, häufig mit schwerem Werkzeug, und – wenn nötig – erste Hilfe zu leisten. Der REGA-Helikopter landet. Der Beifahrer ist schwer verletzt. Thomas Uebersax hat ein mulmiges Gefühl, sein erster Ernstfall nimmt ihn emotional mit. Das ist jetzt Teil meines Alltags? Diese Frage stellt er sich.

Mehr als «nur» Feuer löschen

20 Jahre später ist Thomas Uebersax Kommandant der freiwilligen Feuerwehr Zumikon/Küsnachterberg im Range eines Hauptmanns. Er empfängt uns im modernen, fast schon luxuriösen Feuerwehrdepot der beiden Gemeinden, das eine grosse Fahrzeughalle, Mannschafträume, Garderoben und Büros umfasst. Für uns trägt er die Schutzkleidung, schwere Stiefel, einen Helm, die feuerfesten Hosen und die Jacke inklusive Handschuhe. Auch die freiwillige Feuerwehr ist absolut professionell ausgerüstet.

Der Einsatz mit dem Rettungsmaterial, den Schläuchen und den Einsatzfahrzeugen will regelmässig geübt sein. Thomas Uebersax an der Motorspritze.

Seit jenem ersten eindrücklichen Unfall vor 20 Jahren hat er viele Einsätze mitgemacht, anfangs als Feuerwehrsoldat, später als Offizier. Pro Jahr rückt die freiwillige Feuerwehr hier zirka 100 Mal aus. Via Pager sind sie 24 Stunden einsatzbereit. Und: Genau wie die Profis haben die freiwilligen Feuerwehren innerhalb von zehn Minuten nach der Alarmierung am Einsatzort zu sein. Von den 100 Einsätzen entfallen rund die Hälfte auf Reanimationen bei Herz-Kreislauf-Versagen. Diese Einsätze fallen 2024 weg, da der Kanton Zürich in diesen Fällen auf ein neues Konzept umschwenkt, das die Feuerwehr von diesen Fällen befreit. Es bleiben jährlich so noch 50 Einsätze. Wer glaubt, dass diese hauptsächlich der Brandbekämpfung gelten, sieht sich getäuscht. Höchstens zehn Prozent der Einsätze gehen auf Brandmeldungen zurück. Thomas Uebersax hat in seiner ganzen Karriere tatsächlich noch keinen grösseren Brandeinsatz geleistet. Ausgerückt wird hauptsächlich bei Verkehrsunfällen, Sturmfolgen, Wasser- und Ölschäden, Wespennestern, die entfernt werden oder für die Rettung von Tieren. Klassischer Fall: die Katze auf dem Baum.

Millizfeuerwehr im Kanton Zürich

Im Kanton Zürich stehen mehr als 110 Feuerwehren in den Städten und Gemeinden im Einsatz. Voraussetzungen, um bei der freiwilligen Feuerwehr mitzumachen, sind folgende: Das Mindestalter beträgt 18 Jahre, man sollte über eine gute körperliche Fitness und Gesundheit verfügen, Schweizerdeutsch einwandfrei verstehen und in der jeweiligen Gemeinde wohnhaft sein.

Strategische Führung und Aufsicht über die Feuerwehren, deren Alarmierung, Ausbildung und Ausrüstung im Kanton Zürich obliegt der Gebäudeversicherung des Kantons Zürich. Die Gemeinden sind zuständig für die Organisationen der lokalen Milizfeuerwehr.

Infos finden sich hier:

Die Feuerwehr funktioniert nur mit Freiwilligen

Die Feuerwehr ist im Grundsatz ähnlich organisiert wie das Militär, mit Diensträngen, Offizieren, Korporalen und Soldaten. Für jeden Einsatz und die Übungen wird Sold entrichtet, der einer Lohnausfallentschädigung entspricht. In Zumikon ist das ein Stundenansatz von 65 Franken im Ernstfall und eine Pauschale von 80 Franken für eine Übung, die etwa 2,5 Stunden dauert. Zudem erhalten die Offiziere und Korporale eine Pauschale für die Arbeit, die zuhause verrichtet wird. Das 42-köpfige Korps in Zumikon/Küsnachterberg, das übrigens auch fünf Frauen umfasst, arbeitet indes – im Unterschied zum Militär – auf rein freiwilliger Basis mit. Das ist enorm wichtig. Die Gebäudeversicherung schreibt der Gemeinde vor, das ein Totalbestand von 40 Freiwilligen auf Abruf einsetzbar ist. Gerade die Offiziere verrichten dabei ein ordentliches Pensum von zirka 30 Abenden pro Jahr, die sie für die Feuerwehr tätig sind, abgesehen von den Einsätzen im Ernstfall. Müsste alles über eine professionelle Feuerwehr abgedeckt werden, würden die Kosten für das Gemeinwesen massiv höher ausfallen. Allein die Gehälter für einen minimalen Bestand von Feuerwehrprofis übersteigt die Betriebskosten der freiwilligen Gemeindefeuerwehr, die bei total rund 300'000 Franken liegen, beträchtlich.

Der Einsatz mit dem Rettungsmaterial, den Schläuchen und den Einsatzfahrzeugen will regelmässig geübt sein. Thomas Uebersax an der Motorspritze.

«Dennoch könnte einiges eingespart werden, wenn die Gemeinden vermehrt zusammenarbeiten würden», sagt Thomas Uebersax. Denselben Aufwand wie Zumikon betreiben auch die Gemeinden Zollikon und Küsnacht, die nur wenige Kilometer entfernt ihre Feuerwehrdepots eingerichtet haben. «Offenbar können sich das die Gemeinden im Kanton Zürich noch leisten», sagt der Kommandant schmunzelnd. Wenn es schwieriger wird, genügend Freiwillige zu finden, könnten Überlegungen, vermehrt zusammenzuarbeiten, aber Aufwind erhalten.

Quasi ein kleiner Dorfverein

Zur Feuerwehr gehört auch der soziale Kontakt zu den Kameraden und Kameradinnen. Sei es beim gemeinsamen Durstlöschen nach den Übungen, sei es beim jährlichen Fest oder auf den gemeinsamen kleinen Reisen, die organisiert werden. Das schweisst zusammen und fördert die Kameradschaft. «Nicht selten melden sich Zuzüger bei uns, die in der Feuerwehr einen Bezug zur neuen Heimatgemeinde finden», hält Thomas Uebersax fest. «Für uns alle ist es aber einfach erfüllend, dass wir einen Beitrag leisten können, der für das Funktionieren der Gemeinschaft wichtig ist. Keiner macht wegen des Solds mit. Und wenn wir im Notfall helfen können, stiftet das Sinn. Das motiviert mich.»
 

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