Zürcher KMU: Digitalisierung und KI gewinnen an Bedeutung, Fachkräftemangel verliert an Schrecken
Medienmitteilung vom 21. August 2025
- Heute erscheint die fünfte Ausgabe des «KMU ZH Monitor»: Mit rund 1200 KMU hat eine Rekordzahl an Unternehmen an der Studie teilgenommen.
- Die KMU schätzen ihre wirtschaftliche Lage als solide ein, doch die Stimmung hat sich verschlechtert.
- Wie wirken sich die US-Zölle auf die Zürcher Wirtschaft aus?
- Der Fachkräftemangel ist weiterhin die grösste Herausforderung, nimmt aber deutlich ab. Digitalisierung und KI holen auf.
- Die Mehrheit der Zürcher KMU ist finanziell gut gepolstert. Doch 50 Prozent der KMU benötigt in den nächsten zehn Jahren eine Nachfolgelösung.
Wie geht es den KMU im Kanton Zürich in diesen wirtschaftlich und geopolitisch unruhigen Zeiten? Dieser zentralen Frage geht der «KMU ZH Monitor» auf den Grund. Die jährliche Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW, erstellt im Auftrag der Zürcher Kantonalbank, erscheint zum fünften Mal. Mit 1195 KMU hat eine Rekordzahl an Unternehmen an der Studie teilgenommen (Vorjahr: 746). Die Befragung fand zwischen Mitte März und Anfang Mai 2025 statt.
Der KMU-Indikator: Die Stimmung verschlechtert sich
Der KMU-Indikator dient als Stimmungsbarometer und bildet die Selbsteinschätzung der KMU im Kanton Zürich hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Lage ab. Diese betrachten die Unternehmen als solide, für das kommende Jahr erwarten sie eine leichte Verbesserung. Der optimistische Blick in die Zukunft ist jedoch mit Vorsicht zu geniessen: Die Mehrheit der teilnehmenden KMU hatte den Fragebogen noch vor der erstmaligen Ankündigung der US-Handelszölle anfangs April ausgefüllt und damit auch deutlich vor Donald Trumps Zollentscheid am 1. August.
Auswirkungen der US-Zölle für den Kanton Zürich
Auswirkungen der US-Zölle für den Kanton Zürich
Einschätzung von Kevin Gismondi, Ökonom Schweiz, Zürcher Kantonalbank
Die Auswirkungen der US-Zölle auf die Kantone sind sehr unterschiedlich. Viele Kantone exportieren rund 15 bis 25 ihrer Güter in die USA und bewegen sich damit nahe am Schweizer Durchschnitt von 17 Prozent. Der Kanton Zürich ist mit einem Anteil von 11 Prozent dagegen unterdurchschnittlich betroffen.
Entscheidend ist aber auch, wie die US-Exportwerte im Vergleich zur kantonalen Wirtschaftsleistung einzuordnen sind. In den meisten Kantonen sind ungefähr fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) betroffen. Beim Kanton Zürich ist es mit nur zwei Prozent deutlich weniger. Zürcher Unternehmen exportierten in den letzten vier Jahren im Durchschnitt weltweit Waren im Wert von fast 30 Milliarden Franken. Der Anteil an von US-Zöllen betroffenen Produkten liegt bei rund 2 Milliarden Franken. Hierzu gehören vor allem Produkte aus der Uhren-, Präzisionsinstrumenten-, Metall- und Maschinenindustrie.
Der Dienstleistungssektor hat im Kanton Zürich mit 87 Prozent einen deutlich höheren Anteil am BIP als in der Gesamtschweiz. Die Wertschöpfung erfolgt dort vorwiegend lokal und ist von den Zöllen nicht tangiert. Insgesamt ist der Kanton Zürich also aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur und der geringeren Abhängigkeit von den USA weniger stark vom Handelskonflikt betroffen als andere Kantone oder die Gesamtschweiz. Auch bei allfälligen Zöllen auf Pharmaprodukte wäre der Kanton Zürich weniger stark exponiert als die Gesamtschweiz. Dennoch werden auch die Zürcher Exportunternehmen sowie einige international ausgerichtete Dienstleister die schwächere Nachfrage direkt und indirekt zu spüren bekommen, was die Wachstumsaussichten dämpft.
Für einzelne kleine Exportunternehmen sind die Zölle existenzbedrohend. Je länger der Zollsatz in Kraft ist, desto stärker werden in der zyklischen und preissensitiven Industriebranche die Auswirkungen sichtbar. KMU, die im Inland produzieren und viel in die USA exportieren, sind stärker exponiert als Grossunternehmen. Sie haben oft keinen Standort im Ausland und schnelle Produktionsverlagerungen sind vielfach nicht möglich.
Zudem offenbart der Vergleich des aktuellen Indikators mit den Vorjahren einen negativen Trend: Die Stimmungslage bei den KMU verschlechtert sich. Die Einschätzung der Geschäftslage («Unserem Unternehmen geht es zurzeit») wird im Jahr 2025 spürbar negativer bewertet als noch 2024 und noch ungünstiger als 2023.
Herausforderungen: Fachkräftemangel lässt nach, KI und Cybersecurity auf der Überholspur
Die grösste Herausforderung für KMU ist – wie bereits im letzten Jahr – der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften. Dessen Bedeutung nimmt aber zum zweiten Mal in Folge ab, dieses Jahr gar deutlich um 12 Prozent, dem stärksten Rückgang in den Top 10 der Herausforderungen. Der Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften trifft die Branchen unterschiedlich stark. Besonders betroffen sind nach wie vor die Branchen Bau/Architektur sowie Gastronomie/Hotellerie. Branchenübergreifend zeigt sich, dass kleine und mittelgrosse Unternehmen tendenziell stärker vom Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften betroffen sind als Kleinstunternehmen.
Auf Rang 2 folgt das Thema «Digitalisierung und künstliche Intelligenz», das mit über zehn Prozent den grössten Zuwachs verzeichnet. Über sämtliche Branchen sehen 32 bis 39 Prozent der Unternehmen hier eine Herausforderung. Hingegen unterscheiden sich die Ergebnisse bei den Unternehmensgrössen deutlich.
Eine mögliche Erklärung für diesen Effekt: Skalenerträge können die Wirtschaftlichkeit von Digitalisierungsinitiativen erheblich steigern. Grössere Unternehmen profitieren stärker von diesen Effekten, wodurch sich für sie stärkere Anreize zur Digitalisierung ergeben als für kleinere Betriebe.
Der Themenbereich «Regulierung und Vorschriften von Behörden» scheint mit Rang 3 an Relevanz eingebüsst zu haben. Die Branchen Bau/Architektur, Industrie und Gastronomie/Hotellerie nennen die Regelungen und Vorschriften besonders oft als Herausforderung, während andere Branchen hier deutlich seltener eine Herausforderung sehen. Dies deckt sich mit dem Bürokratiemonitor des SECO, in welchem die Unternehmen vor allem bei Bauvorhaben, Lebensmittelhygiene sowie Ein- und Ausfuhr anmerken, dass sie mit besonders hohem administrativem Aufwand verbunden sind.
Bemerkenswert: Mit einem Zuwachs von rund zehn Prozent gewinnt der Bereich «Cybersecurity und Internetkriminalität» ähnlich stark an Relevanz wie das Thema «Digitalisierung und künstliche Intelligenz». Eine Studie von digitalswitzerland zeigt, dass vier Prozent der befragten KMU in den letzten drei Jahren Opfer schwerwiegender Cyberangriffe wurden.
Liquiditätsreserven: Mehrheit der KMU hat ein finanzielles Polster für mehrere Monate
Die vorhandene Liquidität ist bei Zürcher KMU sehr unterschiedlich. Etwas weniger als jedes zehnte Unternehmen hat kaum Liquidität, während mehr als ein Viertel der Unternehmen über vorhandene Liquidität für die nächsten drei Monate verfügt. Eine Mehrheit der befragten KMU verfügt aktuell über Liquidität, um die laufenden Ausgaben für mindestens vier Monate zu decken.
Im Branchenvergleich zeigt sich, dass Unternehmen im Bereich Wirtschaftliche Dienstleistungen am häufigsten über Reserven für mehr als sechs Monate verfügen, gefolgt von Firmen aus den Branchen Industrie und Handel.
Liquidität sei das Blut jeder Unternehmung, wie Patrick Sulser, Leiter Corporate Finance & Spezialfinanzierungen bei der Zürcher Kantonalbank, festhält. «Ausreichende finanzielle Reserven, Innovations- und Anpassungsfähigkeit sind Gründe für die hohe Resilienz unserer KMU, die sie immer wieder unter Beweis stellen. Vergessen wir nicht: Die vergangenen Jahre waren für Zürcher KMU von grossen Herausforderungen geprägt, etwa der Corona-Krise, dem Fachkräftemangel oder dem starken Franken.»
Fast die Hälfte der KMU gibt dabei an, dass sie sich mit einer Liquiditätsreserve von 4-6 Monaten am wohlsten fühlen. Ein Viertel gibt an, dass Reserven bis zu einem Jahr als komfortabel empfunden werden. Insbesondere bei den KMU mit Reserven von mehr als sieben Monaten ist jedoch ersichtlich, dass sie auch mit weniger Liquidität zufrieden wären.
Unternehmensnachfolge: Die Hälfte der KMU sucht eine Nachfolgelösung innert zehn Jahren
Im Kanton Zürich gibt es über 120'000 KMU. Bei zehn Prozent, also 12'000 Unternehmen, steht in den nächsten zwei Jahren eine Nachfolgeregelung an, bei weiteren 18 Prozent ist dies in spätestens fünf Jahren der Fall. In den nächsten zehn Jahren suchen summiert gar rund die Hälfte der KMU eine Nachfolgelösung.
Der Grund dafür: Die Generation der «Baby Boomer» erreicht das Pensionsalter. Der demografische Wandel verleiht dem Thema eine hohe Relevanz und Dringlichkeit, wie auch Patrick Sulser bestätigt: «Bei der Nachfolgeregelung gilt es verschiedenste Aspekte zu berücksichtigen. Zudem ist sie mit vielen Emotionen verknüpft und sollte deshalb nicht auf die lange Bank geschoben werden.»
Denn: Die Nachfolgeplanung benötigt viel Zeit. «Unsere Erfahrung zeigt, dass eine familieninterne Nachfolge bis zur Verantwortungsübergabe im Durchschnitt 6,5 Jahre dauert», sagt Sulser. «In Zukunft dürfte der veränderte Arbeitsmarkt die Nachfolge nochmals erschweren. Ab 2029 wird es in der Schweiz 30 Prozent mehr Pensionierungen als Arbeitsmarkteintritte geben.»
Das es schon heute die grösste Herausforderung ist, eine geeignete Nachfolgerin oder einen geeigneten Nachfolger zu finden, zeigt auch die aktuelle Umfrage.
«Bisher konnte rund ein Drittel der KMU nicht an die nächste Generation übertragen werden», sagt Sulser. «Gerade bei Kleinstunternehmen, die stark von einer Person abhängen, ist dies auch nicht unüblich. Dennoch können wir Unternehmerinnen und Unternehmern nur raten, rechtzeitig – im Idealfall rund zehn Jahre vor der Nachfolgeregelung – mit einer Standortbestimmung zu beginnen und sich auf die Nachfolgeplanung vorzubereiten.»
Die Initiative «KMU ZH»
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der Zürcher Wirtschaft: Drei von vier Personen, die im Kanton einer Erwerbsarbeit nachgehen, sind bei ihnen angestellt. Kein Wunder, denn 99,6% der hiesigen Unternehmen sind KMU. Ihr Zustand hat deshalb eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung für die Region und darüber hinaus. Die Zürcher Kantonalbank weiss um diese Bedeutung. Sie ist seit ihrer Gründung eine wichtige Partnerin für Zürcher KMU und pflegt heute mit der Hälfte von ihnen eine Geschäftsbeziehung. Um die KMU weiter zu stärken, hat die Bank 2021 die Initiative «KMU ZH» ins Leben gerufen.
Die in diesem Rahmen jährlich durchgeführte Studie «KMU ZH Monitor» bildet das wirtschaftliche Stimmungsbild der Unternehmen ab und zeigt auf, bei welchen Themen ihnen der Schuh drückt. Eines dieser Themen nimmt die Zürcher Kantonalbank jeweils als Schwerpunkt auf und vertieft es während des Jahres mit verschiedenen Massnahmen, zum Beispiel mit Workshops, Netzwerkanlässen, Weiterbildungen und einer Informationsplattform. Das neue Jahresthema wird die Bank im November bekannt geben.