Gesundheitssektor in Trumps Visier

US-Präsident Donald Trump hat in den letzten Tagen Regulierungsmassnahmen ins Spiel gebracht, um die zum Teil deutlich höheren Medikamentenpreise in den USA im Vergleich zum Rest der Welt zu bekämpfen. Grundlegende Reformen des US-Gesundheitswesens sind in der Vergangenheit allerdings stets auf Widerstand gestossen. Die Diskussionen darüber bringen Unsicherheit für die Aktienmärkte. Erfahren Sie im Beitrag von Anlagestratege Felix Jäger, welche Auswirkungen zu erwarten sind.

Text: Felix Jäger

Themenbild Gesundheitssektor
«Es ist weiterhin von einer erhöhten Volatilität des Gesundheitssektors auszugehen – im Vergleich zum Gesamtmarkt stehen die Chancen jedoch gut», erklärt Felix Jäger.

Die USA haben im internationalen Vergleich eines der teuersten Gesundheitssysteme. Dennoch kann seine Qualität nicht mit den Kosten mithalten. Entsprechend sind in der Bevölkerung Massnahmen zur Senkung von Behandlungskosten sehr populär. 

US-Präsident Donald Trump hat in den letzten Tagen Regulierungsmassnahmen ins Spiel gebracht, um die zum Teil deutlich höheren Medikamentenpreise in den USA im Vergleich zum Rest der Welt zu bekämpfen. Im Zentrum steht dabei ein «Most Favored Nation»-Modell für Medikamentenpreise.

Nach diesem Modell dürfte der Preis eines Medikaments in den USA maximal so hoch sein wie im günstigsten Vergleichsland, oder alternativ dem Durchschnittspreis von verschiedenen Vergleichsländern. Eine solche Regulierung ist nicht neu. Mehrere Länder, darunter die Schweiz, setzen ähnliche Modelle bei der Preisfestsetzung für Medikamente ein.

Leichter gesagt als getan

Allerdings ist eine Regulierung der Medikamentenpreise im stark auf den freien Markt ausgerichteten Gesundheitssystem der USA äusserst schwer umzusetzen. Donald Trump musste dies bereits in seiner ersten Amtszeit erfahren, als er das «Most Favored Nation» -Prinzip bereits einmal per Executive Order einführen wollte. Sein Vorstoss wurde von Gerichten blockiert. Denn neben Verfahrensfehlern wurde ihm ein Verstoss gegen höhere Gesetze vorgeworfen. Das gleiche Schicksal droht auch der Executive Order, die er anfangs Woche unterzeichnet hat. Für grundlegende Reformen müsste er ein Gesetz verabschieden, wofür er die Zustimmung des Kongress benötigt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber unwahrscheinlich, dass er seine Partei in dieser Frage hinter sich vereinen könnte, da viele Republikaner der Pharmabranche sehr nahe stehen.

Die Pharmalobby gehört zu den mächtigsten Interessensvertretern in Washington und konnte weitreichende Preisregulierungen im Medikamentenbereich bisher stets verhindern. Daher waren in der Vergangenheit höchstens kleinere Reformschritte von Erfolg gekrönt, wie dies im Rahmen von Barack Obamas Affordable Care Act oder Joe Bidens Inflation Reduction Act zu beobachten war. Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Vorstoss als Versuch zu werten, die Pharmaindustrie unter Druck zu setzen und sie so zu einem Kompromiss zu drängen. Darauf deutet auch seine Vorgehensweise hin. Denn er gibt der Industrie zunächst 30 Tage Zeit, die Preise freiwillig zu senken. Erst danach würde er versuchen, dass «Most Favored Nation» -Prinzip auf juristischem Weg in Kraft zu setzen.

Unsicherheit belastet die Aktienkurse

Auch wenn die juristischen Erfolgschancen des aktuellen Vorstosses zur Regulierung von US-Medikamentenpreisen gering sind, belastet der Druck von Donald Trump den Gesundheitssektor. So blieben die Aktien aus dem Gesundheitssektor seit der Wahl von Donald Trump sowohl auf Weltebene als auch in der Schweiz deutlich hinter dem Gesamtmarkt zurück. Im globalen Index beträgt die Underperformance 15 Prozent, in der Schweiz sind es 6 Prozent. Ähnlich hoch ist die Performancedifferenz des Gesundheitssektors im Vergleich zu den anderen defensiven Sektoren Versorger und Basiskonsumgüter. Die Underperformance des Gesundheitssektors kann also nicht mit dem allgemeinen Marktumfeld begründet werden (vgl. Grafik 1).

Grafik 1: Gesundheitssektor als Schlusslicht der defensiven Sektoren

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Total Return Indizes auf Weltebene (Quellen: Zürcher Kantonalbank, LSEG Datastream)

Entsprechend günstig ist der Gesundheitssektor aktuell bewertet im Vergleich zum Gesamtmarkt. Auf Weltebene handelt der Gesundheitssektor mit einem KGV-Abschlag zum Gesamtmarkt von 9 Prozent, in der Schweiz beträgt der Abschlag 13 Prozent. Damit liegt die relative Bewertung des Gesundheitssektors in beiden Märkten deutlich unter dem historischen Durchschnitt (vgl. Grafik 2).

Grafik 2: Der Gesundheitssektor ist weltweit günstiger bewertet als der Gesamtmarkt

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Kurs-Gewinn-Verhältnis (Quellen: Zürcher Kantonalbank, LSEG Datastream)

Volatilität wird anhalten

Der Ausblick für den Gesundheitssektor bleibt unsicher, da noch viele ungelöste Probleme in der US-Gesundheitsregulierung bestehen: Das zukünftige Zollregime für Importe aus dem Pharmasektor ist weiterhin unklar. Trump hat angekündigt, dass für Pharmaprodukte eigene Zölle gelten sollten. Über die konkrete Höhe und Ausgestaltung hat er sich bisher aber bedeckt gehalten. Dies liegt unter anderem daran, dass Zölle auf Pharmaprodukte seinem Ziel niedrigerer Medikamentenpreise direkt widersprechen. Zudem ist ein breiter Umbau der Medikamentenzulassungsbehörde FDA im Gange. Die FDA soll markant verkleinert werden und strengere Zulassungskriterien anwenden, was zu Verzögerungen bei der Zulassung von neuen Medikamenten führen wird. Aus diesen Gründen muss weiterhin mit einer erhöhten Volatilität der Aktien im Gesundheitsbereich gerechnet werden.

Unsicherheiten bereits eingepreist

Angesichts der jüngsten Underperformance und der tiefen Bewertungen des Gesundheitssektors scheinen die oben genannten Unsicherheitsfaktoren an den Finanzmärkten bereits reflektiert. Zudem haben die Finanzmärkte eine Risikoprämie für den Gesundheitssektor eingepreist. Daher ist bei einer Abschwächung der Regulierung oder bei einem Deal mit Trump von einer Aufholbewegung des Gesundheitssektors relativ zum Markt auszugehen. Die Erfolgswahrscheinlichkeit für eine grundlegend neue Regulierung ist gering. Somit bietet sich für den Gesundheitssektor sowohl auf Weltebene als auch in der Schweiz ein positives Chancen-Risiko-Verhältnis. Da der Gesundheitssektor im Schweizer Aktienindex eine vergleichsweise hohe Gewichtung aufweist, sehen die Experten der Zürcher Kantonalbank auch für den Schweizer Aktienmarkt insgesamt Aufholpotenzial in den kommenden Wochen. Allerdings dürften die politischen Unsicherheiten anhalten und die Volatilität überdurchschnittlich bleiben, was wiederum die defensiven Qualitäten des Gesundheitssektors mindert.

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