Künstliche Intelligenz: klug und hungrig
Künstliche Intelligenz verbraucht Unmengen an Strom. Besonders für das Modelltraining der künstlichen Intelligenz und die anschliessende Nutzung braucht es grosse Rechenzentren, die viel Energie verschlingen. Wächst uns der Strombedarf über den Kopf? Erfahren Sie mehr dazu im Beitrag von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.
Text: Silke Humbert

«Irland hat die Rechenzentren aufgebaut, die der Boom bei künstlicher Intelligenz braucht. Jetzt verbrauchen diese Rechenzentren zu viel von Irlands Energie», titelte kürzlich die Associated Press. Tatsächlich wird mittlerweile ein Fünftel der Elektrizität in Irland von Rechenzentren verbraucht. Das entspricht dem Verbrauch aller irischen Haushalte zusammen. Anders als Produktionsstätten wie etwa Fabriken, Kraftwerke oder Minen stehen Rechenzentren in unmittelbarer Nähe der Städte und haben damit eine grosse Sichtbarkeit. Mit steigenden Strompreisen regt sich nun der Unmut in Dublin.
Wie viel Strom braucht künstliche Intelligenz? Viel! Besonders für das Modelltraining der künstlichen Intelligenz und die anschliessende Nutzung braucht es grosse Rechenzentren, die viel Energie verschlingen. Beispielsweise benötigt eine Datenabfrage bei ChatGTP zehnmal mehr Energie als eine einfache Suchanfrage bei Google.
Ein typisches Rechenzentrum von heute verbraucht doppelt so viel Elektrizität wie alle Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Zürich zusammen. Wem das schon viel vorkommt, der halte sich nun fest: Die grössten aktuell gebauten Rechenzentren verbrauchen so viel Elektrizität wie alle Metropolregionen der Schweiz zusammen. Prognosen zum zukünftigen Strombedarf zufolge wird sich die Situation noch weiter verschärfen: Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass sich der Energieverbrauch von Rechenzentren durch die vermehrte Anwendung von künstlicher Intelligenz bis 2030 verdoppeln wird. Kann uns die künstliche Intelligenz bald alle Fragen beantworten, aber der Strom reicht dann nicht mehr für den Haartrockner?
Wächst uns der Strombedarf über den Kopf?
Nein. Nehmen wir das Beispiel Irland. Die Ansiedlung von Rechenzentren findet meist in Gruppen statt. Der «Celtic Tiger» Irland hat seit der Jahrtausendwende gezielt grosse Technologiefirmen ins Land gelockt und hält daher auch für andere Länder viel Rechenkapazität bereit. Die Elektrizitätsnachfrage durch Rechenzentren ist absolut gesehen immer noch gering und entspricht 1,5 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs. Dieser Wert wird sich bis 2030 auf 3 Prozent verdoppeln. Rechenzentren haben im Übrigen nicht die höchsten Wachstumsraten, was die Stromnachfrage angeht. In anderen Bereichen, wie etwa dem Einsatz strombasierter Geräte in Gebäuden, der Industrie oder auch bei Klimaanlagen, wächst die Nachfrage deutlich stärker.
Wo bleibt die Nachhaltigkeit?
Ungefähr die Hälfte des Wachstums der Stromnachfrage bis 2030 wird laut der IEA durch erneuerbare Energien gedeckt werden können. Megaunternehmen wie Amazon Web Services (AWS), Google, Meta und Microsoft, die zusammen über knapp die Hälfte aller Rechenzentrumskapazitäten in den USA verfügen, haben überdies ehrgeizige Ziele für saubere Energie. Meta, Google und Microsoft wollen bis zum Jahr 2030 Netto-Null-Emissionen erreichen, Amazon bis zum Jahr 2040. Zusätzlich darf man nicht vergessen, dass künstliche Intelligenz nicht nur viel Elektrizität verbraucht, sondern auch helfen kann, Strom zu sparen. Sie wird schon heute in vielen Branchen eingesetzt, um die Energieeffizienz zu steigern und Kosten und Emissionen zu senken. Dazu gehören zum Beispiel die Öl- und Gasbranche, Elektrizitätswerke, die Grossindustrie sowie das Transport- und das Gebäudemanagement. Die IEA schätzt, dass dank künstlicher Intelligenz allein bei Industrieanwendungen der jährliche Energiebedarf ganz Mexikos eingespart werden könnte.
Riesige Rechenzentren an Stadtgrenzen muten tatsächlich etwas seltsam an, doch werden wir uns an ihren Anblick gewöhnen müssen. Ihr Elektrizitätsverbrauch stellt auch in den nächsten Jahren einen zwar wachsenden, aber dennoch nur einen kleinen Anteil an der Gesamtstromnachfrage dar. Trotzdem sollte der Ausbau potenter und zukunftsfähiger Elektrizitätsnetze weiterhin hohe Priorität geniessen.