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Macron unter Zugzwang

Nach der Absetzung von Premierminister François Bayrou steht Frankreich vor einer doppelten Herausforderung: Präsident Macron muss nicht nur einen neuen Regierungschef finden, der im gespaltenen Parlament eine Mehrheit sichern kann, sondern auch die wachsenden wirtschaftlichen Risiken des Landes bewältigen. Während die Finanzmärkte bislang gelassen reagieren, bleibt der Druck auf Frankreichs Haushalt und Schuldenpolitik hoch. Erfahren Sie mehr dazu im Beitrag.

Text: Sascha Jucker und Manuel Ferreira

EU Flagge
Der Druck auf Frankreich nimmt von vielen Seiten zu und die hohe Verschuldung werden dem Land früher oder später zum Verhängnis. (Bild: Getty Images)

Die französische Nationalversammlung stürzte gestern den Premierminister François Bayrou wie erwartet beim Misstrauensvotum mit einer überragenden Mehrheit von 364 zu 194 Stimmen. Präsident Emmanuel Macron wird heute die Rücktrittserklärung seines Premier annehmen und in den nächsten Tagen einen Nachfolger seiner Minderheitsregierung vorschlagen.

Dabei steht er vor der gleichen Herausforderung wie Ende 2024: Eine Person zu finden, die innerhalb des tief gespalteten Parlaments eine Mehrheit für den Budget­haushalt bilden kann. Kandidaten könnten vom eigenen politischen Lager Macrons oder den gemässigten Linken kommen. Marine Le Pen und ihre Rechtsaussenpartei Rassemblement National scheinen kein Interesse zu haben, einen Premier im zersplitterten Parlament zu stellen. Vielmehr fordern sie Neuwahlen und hoffen auf eine absolute Mehrheit in der National­versammlung, was aktuell sehr unwahrscheinlich ist. Sollte der neue Premier sich mit den linken Parteien nicht erfolgreich über einen Budgetvorschlag für 2026 einigen können, sind vorgezogene Parlamentswahlen nur eine Frage der Zeit.

Schuldenstabilisierung erweist sich als schwierig

Der Druck in Frankreich nimmt von vielen Seiten zu und die hohe Verschuldung von 112 Prozent der Wirtschaftsleistung sowie das strukturelle Budgetdefizit von jährlich über 5 Prozent werden dem Land früher oder später zum Verhängnis. Bereits diese Woche wird mit einer weiteren Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Fitch gerechnet. Frankreich befindet sich zudem auf der Liste der Europäischen Union gegen die letztes Jahr ein Defizitverfahren (engl. excess deficit procedure) eingeleitet wurde. Auch der Anleihenmarkt sendet Warnsignale. Französische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 30 Jahren notieren heute 80 Basispunkte höher als noch im Juni 2024, als Macron Neuwahlen verkündet hatte. Und dies obwohl der EZB-Einlagesatz im gleichen Zeitraum von 4 auf 2 Prozent gesenkt wurde. Je länger die Refinanzierungs­kosten für die Regierung steigen, desto einschneidender müssen die Spar­massnahmen und Steuer­erhöhungen sein, um die Schuldenquote zu stabilisieren. Eine ausführliche Analyse zu Frankreichs Schulden­problem im europäischen Kontext erfahren Sie in diesem Beitrag

Verhaltene Reaktionen an den Finanzmärkten

Die Reaktion der Anlegerinnen und Anleger auf die Misstrauens­abstimmung in Frankreichs Parlament waren bisher verhalten und beschränkt sich auf den französischen Markt. Auffällig ist insbesondere die isolierte Ausweitung der Risikoprämie französischer Staats­anliehen gegen ihr deutsches Pendant. Andere Staats­anleihen in Europa sind nicht davon betroffen. Die Experten der Zürcher Kantonalbank leiten daraus ab, dass die Lage in Frankreich die anderen Länder in der Eurozone nicht anstecken wird. Auch die Volatilität im Euro ist kaum angestiegen. An den Aktienmärkten zeichnete sich ein ähnlich differenziertes Bild ab. Die Volatilität hat nur leicht zugelegt.

Die gestrige Absetzung von Premierminister Bayrou hat die Markt­teilnehmer kaum überrascht. Frankreich bleibt fiskalpolitisch unter Druck und muss bis im November ein Haushaltsbudget liefern. Die anderen Länder in der Eurozone sind davon nicht betroffen. Trotz der politischen Unwäg­barkeiten in Frankreich sehen wir die Chancen für eine sich verbessernde Konjunkturentwicklung in der Eurozone nach wie vor als intakt.

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