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Einmal Wasserstoff bitte?

Grüner Wasserstoff hat die Superpower, die Energiewende voranzutreiben und Unabhängigkeit in der Energiepolitik zu schaffen. Damit Wasserstoff durchstarten kann, muss jedoch mit Hochdruck daran gearbeitet werden, die Kosten für Herstellung, Speicherung und Transport zu optimieren und die notwendige Infrastruktur aufzubauen. Politische Unterstützung und internationale Kooperationen bieten der Wasserstoffindustrie dabei zusätzlichen Rückenwind.

Text: Belinda Otruba, Anlagespezialistin

Symbolbild zum Thema Wasserstoff
Wasserstoff soll in der langfristigen Zukunft eine aktive Rolle einnehmen. (Bild: Getty Images)

Wasser, Sonne und Wind sollen es sein – vielleicht auch etwas Wasserstoff? Die Energiepolitik von über 140 Ländern zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren, und setzt dort an, wo der Schuh am meisten drückt: bei den hohen CO2-Emissionen in der Industrie und im Verkehr. Erneuerbare Energien sollen dabei helfen, die Erderwärmung einzudämmen und den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie zu kompensieren.

In gewissen Bereichen wie der Schiff- und Luftfahrt stossen erneuerbare Energien jedoch an ihre Grenzen. Genau hier kann Wasserstoff einen besonders wertvollen Beitrag leisten. Er kann als Energiespeicher genutzt und bei Bedarf in Strom umgewandelt werden. Aber im Gegensatz zu Strom, der nur über relativ kurze Dauer in Batterien gespeichert werden kann, bietet Wasserstoff den Vorteil, erneuerbare Energien in grossen Mengen langfristig zu speichern. Zudem lässt sich Wasserstoff ohne grössere Verluste über weite Strecken (Pipelines, Tanks) transportieren.

Die zurückhaltende Verwendung von Wasserstoff als saubere Energiequelle erstaunt, sind seine Vorteile doch bekannt. Bereits im 18. Jahrhundert vom britischen Chemiker Henry Cavendish als brennbares Gas entdeckt, wurde Wasserstoff in der Kohleblütezeit des 19. Jahrhunderts in Gaslaternen, zum Kochen und für die Ballonfahrt verwendet. Im Erdöl- und Erdgaszeitalter des 20. Jahrhunderts fand Wasserstoff als hochenergetischer Treibstoff bei der US-Raumfahrtbehörde NASA Verwendung.

Hohe Herstellungskosten

Und was bringt das 21. Jahrhundert? Wenn etwas den grünen Wasserstoff am Durchbruch in der Klimapolitik hindern könnte, dann sind es die hohen Herstellungskosten. Reiner, weisser Wasserstoff (H im Periodensystem) wurde zwar vereinzelt in tiefen Erdschichten gefunden und die Suche nach weiteren natürlichen Vorkommen ist im Gange, doch eine rentable Gewinnung ist ungewiss. Das heisst, den Wasserstoff, mit dem aktuell Energie gewonnen wird, finden wir an der Erdoberfläche nur gebunden in Wasser (H2O) und im Erdinnern gebunden in Erdgas (Methan: CH4).

Und hier liegt der Hund begraben: Um das H aus Wasser mit Hilfe der Elektrolyse abzuspalten, braucht es sehr viel Energie. Weniger Energie braucht es zwar bei der H-Abspaltung aus Erdgas (grauer Wasserstoff) mit der Dampfreformierung, dafür entsteht Kohlenstoffdioxid als unerwünschtes Nebenprodukt, weshalb dieses Verfahren für die Energiewende nicht infrage kommt.

Grüner statt grauer Wasserstoff

Der einzige Weg, grünen Wasserstoff zu produzieren, führt somit über die energieintensive Elektrolyse mit erneuerbarem Strom. Dieser grüne Wasserstoff soll langfristig den grauen Wasserstoff insbesondere in der Industrie ersetzen und den nur schwer elektrifizierbaren Verkehr dekarbonisieren. Zwar verbrauchen mit Wasserstoff betriebene Lastkraftwagen aufgrund der energieintensiven Elektrolyse derzeit noch rund dreimal so viel Energie für die gleiche Strecke wie Elektrofahrzeuge, dafür können sie deutlich weiter fahren und ihre Tanks in wenigen Minuten füllen.

Damit Wasserstoff durchstarten kann, muss mit Hochdruck daran gearbeitet werden, die Kosten für Herstellung, Speicherung und Transport zu optimieren und die notwendige Infrastruktur aufzubauen. Bei der Produktion von grünem Wasserstoff haben globale Player wie China und die Europäische Union die Nase vorn und weitere mischen mit. Denn zumindest bei diesem Thema herrscht Einigkeit: Wasserstoff hat die Superpower, die Energiewende voranzutreiben und Unabhängigkeit in der Energiepolitik zu schaffen.

Fest steht, dass die Nummer eins im Periodensystem trotz verschiedener Rückschläge und Herausforderungen nicht auf den Nebenschauplätzen vergessen geht und in der langfristigen Energiezukunft eine aktive Rolle einnehmen wird.

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