Green Bonds: Schlüssel zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums

Das Wachstum von Green Bonds (=grüne Anleihen) setzt sich fort. Im Jahr 2022 wurden im Obligationenmarkt Schweiz bisher 39 neue Obligationen emittiert. Aktuell sind bereits 98 Green Bonds im Swiss Bond Index AAA-BBB enthalten. Wir liefern nachhaltigen Anlegern eine klare Klassifizierung des Universums nachhaltiger Bonds, um Anlageentscheidungen zu erleichtern.

Text: Sandro Grimm und Christopher Radler

Was sind Green Bonds? Was sind Sustainable Bonds? Wie kann ich einen einzelnen Bond und einen Fonds, der unter dem Label nachhaltiger Bonds auftritt, zuverlässig einordnen, um meinen Anlagebedürfnissen als privater oder institutioneller Investor gerecht zu werden? Sandro Grimm, Leiter des Schweizer Franken Fixed Income Teams, ist vielfach von Rating-Agenturen für Qualität und Performance seines Fondsmanagements prämiert worden. Er gibt zusammen mit Portfolio Manager Christopher Radler Auskunft – als Kenner des Marktes nachhaltiger Anleihen und Spezialist für den Schweizer Markt der Green Bonds.

Das Universum nachhaltiger Anleihen besteht aus vier wichtigen Anleihentypen

Für nachhaltige Anleihen wird inzwischen deckungsgleich der Begriff ESG-Anleihen oder ESG Bonds verwendet. Investoren sehen sich mit vier Typen von nachhaltigen Anleihen konfrontiert.

  1. Green Bonds
  2. Social Bonds
  3. Sustainable Bonds
  4. Sustainable-Linked Bonds

Wie lassen sich diese unterschiedlichen Anleihetypen klassifizieren, damit ein Investor die richtigen Anlageentscheidung treffen kann?

Green Bonds

Dabei handelt es sich um klassische Anleihen, die der Emittent ausschliesslich in Projekte investiert, die die Umwelt und das Klima schonen oder entlasten. Beispiele für solche Projekte sind Klimaneutralität, Elektromobilität, Investitionen in energieeffiziente Technologien, Projekte der Kreislaufwirtschaft. Struktur und Risikoprofil eines Green Bond sind ähnlich wie bei einer konventionellen Anleihe des gleichen Emittenten, also auch die Renditeerwartung. Die grössten Emittenten kommen aus dem öffentlichen Sektor. Weitere grosse Emittenten kommen aus dem Finanzsektor oder dem Bereich Energieversorgung.

Social Bonds

Green Bonds sind nicht der einzige Weg, Geld für nachhaltige Finanzierungen zur Verfügung zu stellen. Social Bonds finanzieren Projekte mit sozialen Zwecken. Viele der Corona-bedingten Massnahmen wurden 2020 mit Social Bonds finanziert. Ihr Emissionsvolumen vervielfachte sich. Die EU-Kommission beschloss Ende 2020, ihr Arbeitsmarktprogramm SURE (Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency) über Social Bonds zu finanzieren, was die EU zum grössten Social-Bond-Emittenten weltweit gemacht hat.

Sustainable Bonds

Der Erlös der Anleihe verwendet der Emittent für ein nachhaltiges Projekt, das aus einer Mischung von grünen und sozialen Zwecken bestehen kann oder sich durch einen Beitrag zur Erreichung von mindestens einem der Ziele der UN Nachhaltigkeitsziele (UN Sustainable Development Goals) auszeichnet.

Sustainable-Linked Bonds

Bei Sustainable-Linked Bonds werden die Emissionserlöse vom Emittenten nicht gezielt für Projekte verwendet, sondern für allgemeine Unternehmenszwecke, die zur Verfolgung identifizierter nachhaltiger KPIs (Key Performance Indicators) und Sustainability Performance Targets (SPTs) dienen. Die Zielerreichung muss zum definierten Zeitpunkt vom Emittenten dargelegt werden und für Investoren verifizierbar sein. Bei Nicht-Erreichen der Ziele sind meist Strafzahlungen, zum Beispiel in Form einer Kuponerhöhung, vorgesehen. Als KPIs verwendet werden beispielsweise

  • Der CO2-Ausstoss bzw. ein definierter Pfad zur Senkung des CO2-Ausstosses
  • Der Anteil des recycelten Abfalls und eine Verbesserung der Recyclingquote
  • Soziale Faktoren wie beispielsweise die Frauenquote unter Führungskräften.

Dazu kommen heute noch sogenannte «Transition Bonds». Mit solchen Bonds erhalten inzwischen auch die Drecksschleudern unter den Unternehmen und Institutionen Zugang zu Finanzierungen mit dem Label Nachhaltigkeit. Voraussetzung: Sie unterstellen sich den Prinzipien der International Capital Market Association (ICMA), die heute den verbreitetsten Marktstandard für grüne Anleihen darstellen (vgl. unten). Für institutionelle Investoren reicht diese Transparenz aus, entsprechend steigt ihre Akzeptanz für solche Transition Bonds an. Mit dem ethisch-ökologischen Verständnis privater Investoren sind sie heute in aller Regel nicht vereinbar.

Die Nachfrage beflügelt das Angebot

Weltweit hat die Emission nachhaltiger Anleihen bis Ende 2021 rasant zugenommen. Die nachfolgende Grafik zeigt, wie stark. 2022 blieb die Emissionstätigkeit aufgrund der schwierigen Verfassung der Bondmärkte verhalten. Ein wesentliches Motiv für diese grünen und sozialen Emissionen von Unternehmen und nationalen wie supranationalen Institutionen liefert die Herkulesausgabe des 21. Jahrhunderts, die Finanzierung der internationalen Wirtschaft auf dem Weg zur Bewältigung des Klimawandels. Wesentliche Impulse für die Finanzierung von Projekten in Form von Social Bonds kamen zudem durch die Corona-Pandemie. Veröffentlicht wird der Gesamtbestand weltweit ausstehender Anleihen mit dem Label Nachhaltigkeit im Rahmen der Markt-Statistik der Climate Bonds Initiative. Er belief sich per Ende Q3 2022 auf rund 2'000 Milliarden US-Dollar. Das klingt nach einer grossen Summe. Der nachhaltige Anteil am gesamten, weltweit ausstehenden Anleihevolumen beträgt jedoch erst rund 3 % – Tendenz allerdings vom niedrigen Niveau aus stark steigend. Grüne Anleihen gelten als Katalysatoren bei der Umstellung der Weltwirtschaft auf weniger Kohlenstoffverbrauch. Unternehmen und Staaten, die sich diesem Wandel verschliessen, werden mittelfristig zu ökonomischen Verlierern. Die Finanzierung nachhaltigen Wachstums verspricht dagegen in etwa marktgerechte Renditen. Im Durchschnitt zahlen grüne Anleihen eine leicht tiefere Rendite. Es wird dabei von einer Greenium gesprochen.

Weltweites Emissionsvolumen nachhaltiger Anleihen in US-Dollar

Quelle: Climate Bonds Initiative

Regulierung / Green Bond Frameworks

Tatsächlich besteht heute weltweit noch keine rechtlich verbindliche Festlegung oder Regulierung von dem, was Green, Social oder Sustainable Bonds sind. Es haben sich jedoch einige Prinzipien und Guidelines etabliert, die von Emittenten und Investoren als Rahmenwerke verwendet werden. Die grösste Reichweite haben die Green Bond Principles (GBP) der International Capital Market Association (ICMA). Sie gelten international als Marktstandard. Auch der Schweizer Bund hat sich bei der Erarbeitung seines Rahmenwerkes für grüne Schweizer Staatsanleihen am ICMA-Standard orientiert. Neben der ICMA bemüht sich vor allem die EU, einen eigenen EU Green-Bond-Standard (EU GBS) zu etablieren, der die Verwendung der aus einer Anleihenemission stammenden Erlöse an die Vorschriften der EU-Taxonomie anpassen soll. Die EU will verhindern, dass Unternehmen aus stark umweltbelasteten Sektoren das Green Bond Label nutzen, ohne einen glaubwürdigen Pfad in Richtung der Klimaziele der kommenden Jahrzehnte zu verfolgen.

Wie investiere ich als Investor in nachhaltige Anleihen?

Anleger wollen Transparenz. Sie wollen wissen, ob die Umweltstrategie des Emittenten plausibel ist und belegt werden kann. Neben der Nachhaltigkeit bleibt die Rendite wichtigstes Investitionsmotiv. Wer nimmt verantwortungsvollen, ambitionierten Investoren die Arbeit bei der Suche nach Transparenz, Plausibilität und Rendite zuverlässig ab?

Unsere Anwort auf diese Frage

Wir holen heute – nebst unserer eigenen, durch Research und persönliche Kontakte gestütztes Know-how – immer eine unabhängige Zweitmeinung von internationalen Agenturen wie Sustainalytics, ISS  oder Vigeo Eiris ein. Wir kaufen für unsere Anleihen-Portfolios keinen Bond, der nicht durch eine solche Second Party Opinion «zertifiziert» ist. Können sich Investoren sicher fühlen, so keinerlei Greenwashing ausgesetzt zu sein? Wir sehen Verbesserungspotential. Ein Beispiel: In Europa müssen – so die Standardempfehlung – 95 % des Green-Bond-Volumens einer Emission in nachhaltige Projekte fliessen. Wie buchstabengetreu diese anspruchsvolle Empfehlung tatsächlich umgesetzt wird, bleibt offen.

Green Bonds am Schweizer Bondmarkt

Sandro Grimm und Christopher Radler liefern turnusmässig Informationen zu aktuellen Geschehnissen am Green-Bond-Markt Schweiz: Der Anteil von Green Bonds im Swiss Bond Index beträgt aktuell 3,4 % – gegenüber 2,0 % vor 12 Monaten. Absolut erscheint dieser Anteil noch bescheiden – doch der Trend zeigt eindeutig aufwärts. Immer mehr Emittenten wollen sich mit grünen Anleihen am Markt zeigen und stossen mit ihrem Angebot auf Nachfrage, die bereit ist, ein sauber klassifiziertes, nachhaltiges Angebot konsequent aufzunehmen.

Anteil von Green Bonds im Swiss Bond Index AAA-BBB

Quelle: Bloomberg

Die meisten Schuldner, die in der Schweiz nachhaltige Anleihen emittieren, kommen aus der Finanzbranche – aus dem Bankensektor, inklusive Kantonalbanken und Versicherungen. Daneben wird der Immobiliensektor immer mehr zu einem gewichtigen Emittenten von grünen Anleihen. Energiesparende Sanierungsprojekte bestehender Gebäude (Ersatz von Ölheizungen, verbesserte Wärmedämmung) oder Solarprojekte eignen sich hervorragend als grüne Assets.

Schweiz: Anzahl grüner Anleihen nach Branchen 

Quelle: Bloomberg

Die Mehrheit der Bonds wird von Schweizer Emittenten lanciert. Entwicklungsbanken (Supranationale) treten mit ihren Entwicklungsprojekten ebenfalls häufig als Emittent nachhaltiger Anleihen auf. Als einzelner Emittent sticht am Schweizer Markt die Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property mit zehn ausstehenden Anleihen heraus. Weitere regelmässige Emittenten sind die Zürcher Kantonalbank, Berlin Hyp AG und der Kanton Genf mit jeweils fünf Anleihen.

Schweiz: Anzahl grüner Anleihen nach Herkunft des Emittenten

Quelle: Bloomberg

Neue Schuldner im Jahr 2022

Im Verlauf des Jahres konnten 17 neue Emittenten grüner Anleihen am Markt willkommen geheissen werden. Für besonders starke Resonanz sorgte der erste Green Bond der Schweizer Eid­genossenschaft mit einem Emissionsvolumen von über einer Mrd. Franken. Wir gehen davon aus, dass diese Anleihe in den nächsten Monaten aufgestockt wird – die Eidgenossenschaft verfügt über genügend grüne Projekte, die finanziert werden wollen.

PSP Swiss Property klassifiziert alle seine ausstehenden Anleihen in Green Bonds um

PSP Swiss Property ist die zweitgrösste kotierte Schweizer Immobiliengesellschaft. Die Firma investiert ausschliesslich in kommerzielle Immobilien in der Schweiz. Der Immobilienbestand beträgt über CHF 9 Mrd.

Am 8. November 2022 gab PSP Swiss Property bekannt, dass alle bereits ausstehenden Anleihen als grüne Obligationen klassifiziert werden. Diese Reklassifizierung umfasst zehn Obligationen mit einem Volumen von CHF 1.83 Mrd. Das Gewicht im CHF-Bonduniversum beträgt 0.3 %.

PSP hat dazu zwei unabhängige externe Gutachten – sogenannte «Second Party Opinions» von Moody's und ISS erstellen lassen. Die mit den Bonds finanzierten Projekte sind den Bereichen «Bezahlbare und saubere Energie» (UN SDG 7), «Nachhaltige Städte und Gemeinden» (UN SDG 11) und «Massnahmen zum Klimaschutz» (UN SDG 13) zuzuordnen. Die Preise der frisch grün gestrichenen Anleihen blieben in den Tagen nach der Ankündigung konstant. Es fanden keine signifikanten Transaktionen statt, was teilweise auch auf die Illiquidität des Segments zurückgeführt werden kann. Ein Greenium – Prämie oder Preisabschlag der grünen Anleihen gegenüber dem konventionellen Pendant – liess sich hier also nicht feststellen.

Wir erwarten, dass weitere Schuldner – insbesondere aus dem Immobiliensektor – Green-Bond-Programme lancieren und auch bereits bestehende Anleihen als grün ausweisen werden. Die Firmen können so ihr Commitment zur Bekämpfung des Klimawandels zeigen. Investoren werden sich bei der Beurteilung, wie «grün» die Verwendung aufgenommener Mittel bei älteren Emissionen tatsächlich ist, auf die Beurteilung in Form der «Second Party Opinion» verlassen müssen.

2020 war das Greenium-Jahr

Das «Greenium» ist der Renditeunterschied zwischen einer grünen und einer herkömmlichen Anleihe mit derselben Laufzeit. Aufgrund der hohen Nachfrage und dem tiefen Angebot grüner Anleihen kann hier trotz des identischen Ausfallrisikos ein Renditeunterschied resultieren. Dieses Greenium ist über die Zeit variabel und kann in unseren aktiven Fonds gesteuert und abgeschöpft werden.

Für den Verfall im Jahr 2030 hat Deutschland eine klassische und grüne Anleihe emittiert. Die identische Laufzeit erleichtert den Vergleich der Renditedifferenz. Die gepunktete grüne Linie zeigt dabei die Greenium. Bei der Emission im Sommer 2020 wurde mit einem Greenium von einem Basispunkt (Bps) emittiert. Diese stieg bis zum Sommer 2021 bis auf 7 Bps. und bewegte sich seither wieder in Richtung einen Basispunkt zurück. Aktuell ist der Ertrag der grünen Anleihe im Vergleich zu klassischen Anleihen einen Basispunkt pro Jahr tiefer.

Greenium am Beispiel der deutschen grünen Bundesanleihe (2030)

Quelle: Bloomberg

Die Schweizer Eidgenossenschaft kam im Oktober 2022 mit ihrer ersten grünen Anleihe an den Markt. Da es keinen herkömmlichen Schweizer Eidgenossen mit Verfall 2038 gibt, ist die Berechnung des Greenium in diesem Fall schwierig. Werden Brokerkurse angefragt, wird der grüne Bond in der Schweiz – ähnlich wie grüne Anleihen in anderen Ländern – mit einem Greenium von zwei bis drei Basispunkten gehandelt.

Risikoreicher Spezialfall: Grüne russische Anleihen

Die russischen Staatsbahnen sind seit jeher ein regelmässiger Emittent im Schweizer-Franken-Markt. Die Emissionen sind als Loan Participation Notes strukturiert und werden via Irland begeben. Anfang 2022 hatte die russische Eisenbahn im CHF-Markt fünf Anleihen ausstehend, davon zwei grüne, eine davon sogar als nachrangige Anleihe mit ewiger Laufzeit (Perpetual). Nach dem Einmarsch von Russland in die Ukraine und den westlichen Sanktionen verloren diese Anleihen dramatisch an Wert. Die vorrangige grüne Anleihe ist mit den anderen Anleihen in der Kapitalstruktur gleichgestellt und würde bei einem Ausfall die gleiche Zahlung aus der Abwicklung erhalten wie die konventionellen Bonds. Wir waren und sind in dieser vorrangigen Anleihe nicht investiert.

Auch ein russischer Emittent im CHF-Markt

Quelle: Bloomberg

Wir investieren in unseren Swisscanto Anleihenfonds in die gesamte Palette der nachhaltigen Anlagen (Green, Social, Sustainable, Sustainable-Linked) ausschliesslich unter der Voraussetzung, dass eine aussagekräftige «Second Party Opinion» vorliegt. Im Übrigen gilt: Kann ein Emittent diese nachhaltige Einstufung vorweisen, qualifiziert er bzw. das Anlageinstrument sich für unsere Portfolios stets erst nach dem Durchlauf unseres kompletten, fundamentalen und nachhaltigen Anlageprozesses.