«Nachhaltigkeit kostet erst mal, und das ist gut so»
Ökologie und Ökonomie auf einen Nenner zu bringen ist im Immobilienbereich herausfordernd, aber möglich. Rafik Awad, Portfoliomanager Real Estate beim Asset Management der Zürcher Kantonalbank, erklärt wie dabei vorgegangen wird.
Der Immobiliensektor emittiert rund 25 Prozent der gesamten Treibhausgase der Schweiz. Der Bund betrachtet den Immobiliensektor daher als zentrales Element in der Umsetzung der Energiestrategie 2050. Was trägt das Asset Management der Zürcher Kantonalbank dazu bei?
Rafik Awad: Das Asset Management der Zürcher Kantonalbank hat klar definiert: Spätestens bis 2050 sind die von uns betreuten Swisscanto-Immobilienportfolios klimaneutral. Gleichzeitig nehmen wir unsere finanzielle Verantwortung gegenüber unseren Anlegerinnen und Anlegern wahr. Es handelt sich hierbei mehrheitlich um Vorsorgeinstitute, die auf eine stete und marktgerechte Rendite zur Sicherung der Rentenversprechen angewiesen sind.
Wir müssen beides schaffen, Nachhaltigkeit und Rentabilität.
Und wie schafft ihr das? Nachhaltigkeit ist nicht gratis.
Nachhaltigkeit kostet uns erst mal was, und das ist gut so. Weshalb? Ein Preisschild wirkt disziplinierend auf Investitionsentscheide und verlangt eine vorausschauende Planung, bevor man zugreift. Fakt ist: Nachhaltig betriebene Immobilien generieren auf diversen Ebenen Mehrwerte, wie tiefere Nebenkosten für Mieterinnen und Mieter oder eine höhere Zahlungsbereitschaft im Transaktionsmarkt.
Ganz konkret: Wieviel CO2 habt ihr bislang einsparen können?
In den von der Zürcher Kantonalbank betreuten Swisscanto-Immobilienprodukten arbeiten wir seit 2016 an Nachhaltigkeitsmassnahmen. Deshalb war unsere durchschnittliche Emissionsintensität in 2021 mit 11,3 Kilogramm CO2 pro beheizten Quadratmeter im Vergleich zum Gebäudepark der Schweiz mit über 15 kg/m2 deutlich tiefer. Diesen Wert erzielten wir grösstenteils zu verhältnismässig tiefen Kosten, indem wir flächendeckend Betriebsoptimierungen und kleinere Unterhaltsmassnahmen realisierten. Stärkere CO2-Reduktionen erfordern zunehmend Energieträgerwechsel, Hüllensanierungen oder Ersatzneubauten. Hier ist der Investitionsbedarf deutlich höher.
Das kürzlich angenommene Klima- und Innovationsgesetz enthält Subventionen von CHF 3,2 Milliarden. Kompensiert das die Mehrkosten grösserer Anpassungen?
Höchstens teilweise. Deshalb sind detaillierte Analysen unerlässlich, die möglichst objektiv zeigen, welche CO2-Reduktionsmassnahmen zu welchem Zeitpunkt und für welche Liegenschaften sowohl ökologisch als auch finanziell Sinn ergeben.
Welche Kriterien entscheiden über Implementationen von CO2-Reduktions-Massnahmen in einem Portfolio?
Im Kern stellen wir uns zwei Fragen: Investieren wir in die richtigen Massnahmen aus einer Kosten-Nutzen-Analyse und entsprechen die Massnahmen auch der Liegenschaftsstrategie?
Bei der Kosten-Nutzen-Analyse fokussieren wir auf die Vermeidungskosten verschiedener Massnahmen. Das heisst: Wieviel kostet es, eine Tonne CO2 pro Jahr einzusparen? Der Nutzen ist hier nicht ökonomischer, sondern ökologischer Natur. Die Vermeidungskosten variieren je nach Massnahme und Liegenschaft teils deutlich. Um diese verlässlich zu berechnen, haben wir in Kooperation mit einem spezialisierten Ingenieurbüro ein Absenkpfad-Tool entwickelt. Damit lassen sich für jede Immobilie Investitionskosten und CO2-Sparquoten verschiedener Massnahmen wie Wärmepumpen, Fernwärme, Biomasse, Hüllensanierung oder Photovoltaik vergleichen. Die Kombination diverser Massnahmen kann situativ zu einer zusätzlichen Senkung der Vermeidungskosten führen.
Was kostet im Schnitt die Einsparung einer Tonne CO2 in eurem Portfolio?
Die Vermeidungskosten sind stark portfoliospezifisch und deshalb nicht repräsentativ für den Schweizer Immobilienmarkt. Die Vermeidungskosten bei Wärmepumpen liegen in unserem Portfolio zwischen tiefen CHF 100 bis über CHF 800 pro Tonne CO2 pro Jahr. Bei Fernwärme sind sie generell tiefer und reichen von CHF 30 bis über CHF 200. Der Grund hierfür ist, dass sich unsere Liegenschaften hauptsächlich an urbanen Lagen befinden. Die Höhe der Vermeidungskosten bei Hüllensanierungen bestimmen Baujahr und Eingriffstiefe. Sie starten ab CHF 50 und steigen bis deutlich über CHF 1'000. Bei der Photovoltaik liegen sie in einzelnen Fällen ebenfalls über CHF 1'000. Dies hat unter anderem mit Einspeisegebühren und dem bereits relativ sauberen Strommix in der Schweiz zu tun.
Diese grosse Bandbreite zeigt: Pauschallösungen gibt es nicht. Jede Liegenschaft muss hinsichtlich Ökologie und Ökonomie individuell optimiert werden. Über das ganze Portfolio liegen wir derzeit durchschnittlich im Bereich um CHF 300 pro Tonne CO2.
Wir optimieren, oft in mehreren iterativen Schritten, um die Vermeidungskosten sowohl für unsere Anlegerinnen und Anleger als auch für die Gesellschaft weiter zu reduzieren.
Rafik Awad, Portfoliomanager Immobilien
Umfang und Zeitpunkt der CO2-Reduktionsmassnahmen bestimmen, wie oben erwähnt, auch die Liegenschaftsstrategien. Was ist das und wie tangieren sie die Priorisierung der Massnahmen?
Die Liegenschafstrategien sind das Resultat zweier systematischer Analysen. Zum einen betrachten wir den Wettbewerbsvorteil einer Liegenschaft. Dieser umfasst primär die Bewertung der Liegenschafts- und Vermietungsqualität. Zum anderen bewerten wir die Marktattraktivität mit Fokus auf Standortfaktoren. Abhängig davon werden Immobilien den Kategorien «Hold», «Develop» und «Sell» zugeteilt. Liegenschaften der Kategorie «Hold» werden unterhalten und bleiben grundsätzlich ohne Änderungsplan im Portfolio. Bei «Develop»-Liegenschaften werden Möglichkeiten der Erweiterung, der Umnutzung oder ein Um- beziehungsweise Neubau geprüft und umgesetzt. «Sell»-Liegenschaften sollen zum bestmöglichen Zeitpunkt veräussert werden. Die Vermeidungskosten kombiniert mit den Liegenschaftsstrategien ergeben die Priorisierung von Reduktionsmassnahmen.
Was heisst das konkret? Wann wird eine CO2-Reduktionsmassnahme vorgezogen, wann zurückgestellt?
CO2-Reduktionsmassnahmen bei Liegenschaften an attraktiven Wohnlagen, hohem CO2-Ausstoss und relativ tiefen Vermeidungskosten werden vorgezogen. Nach hinten priorisiert werden indes CO2-Reduktionsmassnahmen mit aktuell hohen Vermeidungskosten oder Objekten mit unpassenden Liegenschaftsstrategien. Das betrifft zum Beispiel Immobilien an Standorten, die künftig an das Fernwärmenetz angeschlossen werden oder solche für die mittelfristig ein Ersatzneubau geplant ist.
Das ist unsere tägliche Arbeit. Wir optimieren, oft in mehreren iterativen Schritten, um die Vermeidungskosten sowohl für unsere Anlegerinnen und Anleger als auch für die Gesellschaft weiter zu reduzieren. Unser Immobilien-Team leistet hervorragende Arbeit in der kontinuierlichen Umsetzung der Massnahmen.
Wie handhabt ihr das Thema Ersatzneubau?
Ein Ersatzneubau ist bei älteren Überbauungen mit hohen Ausnutzungsreserven oft die beste Lösung, sowohl aus ökologischer Sicht als auch bezüglich der effizienten Nutzung des knappen Bodens. Bei der aktuellen und wohl auch künftigen hohen Nachfrage nach Wohnraum ist davon auszugehen, dass wir mehr Wohnraum bauen müssen. Die Frage ist: Wo soll er entstehen? Aus ökologischer Sicht wäre Verdichten sinnvoll.
Fachkräftemangel und steigende Produktionskosten verzögern die Umstellung auf nachhaltige Energieträger. Wie geht ihr mit diesen Herausforderungen um?
Wir registrieren, dass es zeitlich aufwändiger und teurer geworden ist, bestimmte CO2-Reduktionsmassnahmen umzusetzen. Volkswirtschaftlich ist es wichtig, die Kostensteigerungen in den Griff zu bekommen. Sonst dienen Subventionen bloss dazu, die höheren Kosten zu kompensieren. Ich denke, das wird uns gelingen. Die Kraft des Marktes dürfte mittelfristig zu einem höheren Angebot an Umwelttechnologien und Fachkräften führen und somit kostensenkend wirken.
Lassen sich alle im Asset Management der Zürcher Kantonalbank verwalteten Liegenschaften fristgerecht klimaneutral betreiben?
Wir sind auf gutem Weg, all unsere Immobilien bis 2050 klimaneutral betreiben zu können. Allerdings sind wir auch auf Partnerleistungen angewiesen. Dies gilt insbesondere für die Strom- und Fernwärmeproduktion. Beides muss in den nächsten Jahren flächendeckend auf nachhaltige Energiequellen umgestellt werden.
Abschliessend eine persönliche Frage: Wir haben verschiedentlich von «optimieren» gesprochen. Woher nährt sich dieser Optimierungsdrang?
Diese «Prägung» erfuhr ich bereits zu Beginn meines Berufslebens. Damals war ich im Architektur- und Ingenieurbüro Werner Sobek als junger Ingenieur tätig. Werner Sobek war auch mein Professor an der Universität. Er lehrte, dass wir auf eine nachhaltige Welt hinarbeiten und deshalb ressourcenschonend und recyclingorientiert planen und bauen müssen. Dieses Streben nach Optimierung ist mir quasi in Fleisch und Blut übergegangen. Dies bei der Zürcher Kantonalbank täglich anwenden zu dürfen, motiviert mich und das ganze Team.