Zinswende am Immobilienmarkt: Die 7 drängendsten Fragen

Der überraschende Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) treibt die Hypozinsen in die Höhe. Ursina Kubli, Leiterin Immobilien Research, und Andrea Berger, Produktmanagerin Finanzierungen, erklären unter anderem, was dies für den Hypothekarmarkt bedeutet und auf was Eigenheimbesitzer nun achten sollten.

Text: Renate Meier

Viele Eigenheimbesitzer sind langfristig finanziert und können deshalb noch Jahre von tiefen Zinsen profitieren. (Bild: Pexels)

Geraten Eigenheimbesitzer nun wegen der Tragbarkeitsregeln in die Bredouille?

Ursina Kubli: Die Nervosität am Eigenheimmarkt ist wegen der Zinswende derzeit sehr hoch. Häufig vergessen geht dabei: Die meisten Eigenheimbesitzer sind langfristig finanziert, sie können zum Teil noch viele Jahre von tiefen Zinsen profitieren und haben somit Zeit, sich auf höhere Zinsen vorzubereiten. Zudem: Die im jüngsten Stabilitätsbericht der SNB publizierte Statistik zur Tragbarkeit sollte differenzierter betrachtet werden. Diese zeigt nämlich, dass bei den Neufinanzierungen im Jahr 2021 bei jedem fünften Hypothekarnehmer die Wohnkosten bereits bei einem Zinssatz von 3% mehr als ein Drittel seines Einkommens betragen würde. Die Tragbarkeitsregel ist damit bereits bei einem Zinsniveau von 3% verletzt. Diese Statistik nimmt jedoch keine Rücksicht auf die Vermögenssituation oder die Höhe des Einkommens. Bei sehr hohem Einkommen kommt ein Hypothekarnehmer nicht in die Bredouille, selbst wenn die Wohnkosten mehr als ein Drittel des Einkommens ansteigen würden. Er hat weiterhin genügend Mittel, um seine Fixkosten zu bezahlen. Auch bei hohen Vermögensbeständen wird die Tilgung der Hypothekarzinsen nicht zum Problem.

Ursina Kubli leitet die Abteilung Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank. (Bild: Flavio Pinton)

Bei all jenen, die kurz vor der Pensionierung stehen, sinkt das Einkommen üblicherweise – was bedeutet die neue Sachlage für sie?

Andrea Berger: Seit rund vier Jahren kann bei der Zürcher Kantonalbank ein lebenslanges Versprechen eingelöst werden: Kundinnen und Kunden, die allen bisherigen Hypothekarverpflichtungen nachgekommen sind und die Schuld auf mindestens zwei Drittel des Liegenschaftwerts reduziert haben, sichert die Bank schriftlich zu, dass ihre Hypothek auch mit dem nach der Pensionierung geringeren Einkommen weiterhin zur Verfügung steht. Wer diese Eckwerte nicht erfüllt, kann trotzdem beruhigt sein: Die Zürcher Kantonalbank ist auch in diesen Fällen eine verlässliche Finanzierungspartnerin.

Weshalb steigen die Zinsen bei langfristigen Hypotheken jetzt überhaupt so deutlich?

U.K.: Die langfristigen Hypotheken spiegeln die Markterwartungen bezüglich der Zinspolitik der SNB, die nach dem dezidierten Zinsschritt von Mitte Juni weitere Erhöhungen in Aussicht gestellt hat. Zudem erweist sich die Inflation auch in der Schweiz als hartnäckiger als erwartet.  

Wie sieht die Situation bei anderen Hypotheken aus?

A.B.: Die Zinsen der Rollover-Hypotheken (Saron-Hypotheken) werden steigen, sobald der Leitzins der SNB und damit auch der Referenzzinssatz (Saron) über 0% zu liegen kommen. Die Zinsen der Festhypotheken orientieren sich an den fristenkongruenten Refinanzierungskosten der Banken am Kapitalmarkt – das heisst: Sie folgen der Zinsentwicklung von Obligationen. Das Ausmass der Zinsentwicklung von Festhypotheken hängt somit von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa deren Laufzeit.

Andrea Berger ist Produktmanagerin Finanzierungen bei der Zürcher Kantonalbank. (Bild: Flavio Pinton)

Lohnt sich ein Wechsel zu kürzeren Laufzeiten?

U.K.: Am Hypothekarmarkt liess sich bereits in den letzten Wochen ein Trend zu kürzeren Laufzeiten beobachten. Aus Kostensicht bleibt der Wechsel von langfristigen Hypotheken zu kurzfristigen Laufzeiten auch nach dem jüngsten Zinsentscheid der SNB attraktiv. Damit tragen die Eigenheimbesitzer oder Immobilieninvestoren jedoch das Zinsrisiko – ein Risiko, das angesichts der Hartnäckigkeit der Inflation eben auch in der Schweiz nicht zu unterschätzen ist.  

Was raten Sie Hypothekarnehmerinnen und -nehmern in dieser Situation?


A.B.: Die konkreten Empfehlungen in Bezug auf Hypothekarprodukte und Laufzeiten hängen nicht nur von der aktuellen und erwarteten Zinsentwicklung ab, sondern vor allem von der individuellen Risikofähigkeit und -bereitschaft sowie der gewünschten Flexibilität. Es lohnt sich, die passende Finanzierungslösung mit einem Hypothekarspezialisten zu besprechen.

Das Eigenheim ist begehrt: Doch für wen ist ein Kauf überhaupt noch realistisch?

U.K.: In einer Immobilienstudie von 2019 hatten wir berechnet, dass nur noch 10% der Mieter genügend Einkommen und Vermögen haben, um sich ein durchschnittliches Objekt leisten zu können. Angesichts der dynamischen Preisentwicklung in den letzten Jahren ist der Anteil sicherlich nochmals gesunken. Gerade für junge Familien ist es sehr anspruchsvoll, sich den Traum des Eigenheims aus eigenen Kräften zu erfüllen. «Ersparen» können sie sich diesen auch kaum, denn die Sparmöglichkeiten halten mit der gegenwärtigen Preisentwicklung nicht Schritt. Erbschaften, Erbvorbezüge oder auch Schenkungen können den Traum für manche ermöglichen.