Wann erben Eltern oder (Halb-)Geschwister?

Nicht immer gehen Nachlässe von der älteren an die jüngere Generation: Stirbt jemand ohne Kinder, können auch Eltern oder (Halb-)Geschwister zu Erben werden. Erbschaftsberaterin Livia von Burg klärt auf über Pflichtteile, Erbansprüche und Testamente.

Aufgezeichnet: Patrick Steinemann / Bild: Simon Baumann | aus dem Magazin «Meine Vorsorge» 1/2024

Livia von Burg, Teamleiterin Erbschaften bei der Zürcher Kantonalbank
«Mit einem Testament oder einem Erbvertrag kann die gesetzliche Erbfolge abgeändert werden»: Livia von Burg.

«Grundsätzlich haben Ehegatten und eigene Kinder Priorität in der gesetzlichen Erbfolge. Die Eltern und Geschwister gelangen nur dann zur Erbfolge, wenn der Erblasser weder eigene Kinder noch Kindeskinder hinterlässt und keine testamentarische Regelung getroffen hat. In diesen Fällen ist schliesslich zu unterscheiden, ob der Erblasser verheiratet war beziehungsweise in eingetragener Partnerschaft lebte oder nicht. Anhand zweier Beispiele wird hier aufgezeigt, wann die Eltern – oder falls sie verstorben sind, die (Halb-)Geschwister – erbberechtigt sind.

Ehefrau in Erbengemeinschaft

Stirbt ein kinderloser Ehemann und hinterlässt kein Testament, erbt die Ehefrau ¾ und jeder Elternteil ¹/8. Sollte ein Elternteil bereits gestorben sein oder sollten beide Elternteile nicht mehr leben, treten an ihre Stelle die jeweiligen Geschwister des Erblassers, mitunter allfällige Halbgeschwister. Ist ein Elternteil ohne weitere Kindsverhältnisse vorverstorben, geht dessen Erbanteil von ¹/8 an den anderen Elternteil beziehungsweise bei dessen Vorversterben an die Geschwister des Erblassers über und nicht an die überlebende Ehefrau. Die überlebende Ehefrau und die weiteren Erben bilden eine Erbengemeinschaft, die nur gemeinsam über den Nachlass verfügen kann (Einstimmigkeitsprinzip). Dies kann für die überlebende Ehefrau Risiken bergen, da sie gegenüber den anderen Erben grundsätzlich keinen Vorrang hat.

Stirbt eine kinderlose, unverheiratete Tochter ohne Testament, erben ihre Eltern je ½. Auch in dieser Konstellation gilt, dass wenn ein Elternteil bereits gestorben ist oder beide Elternteile nicht mehr leben, die (Halb-)Geschwister der Erblasserin, die vom gleichen Elternteil abstammen, an ihre Stelle treten. Ist ein Elternteil ohne weitere Nachkommen bereits früher gestorben, geht dessen hälftiger Erbanspruch an den anderen Elternteil beziehungsweise dessen Nachkommen über.

Mehr Spielraum durch neues Erbrecht

Seit Anfang 2023 ist das revidierte Erbrecht wirksam. Erblasser können dadurch freier über ihren Nachlass verfügen, sofern sie dies in einem Testament festlegen. So sind die Eltern neu nicht mehr pflichtteilsgeschützt. Der Wegfall des elterlichen Pflichtteils ist jedoch nicht gleichzusetzen mit ihrem Erbanspruch. Wie zuvor aufgezeigt, spricht ihnen der Gesetzgeber weiterhin einen Erbteil zu. Wer mit dieser gesetzlichen Aufteilung seines Erbes nicht zufrieden ist, tut gut daran, mit einem Testament oder einem Erbvertrag die gesetzliche Erbfolge abzuändern.»