Drohende Wohnungsnot: «Immobilien aktuell» liefert Fakten

Der Schweizer Wohnungsmarkt ist aus dem Gleichgewicht geraten. Unser Immobilienresearch zeigt, dass dem Neubau immer mehr Hürden im Weg stehen.

Text: Marco Metzler, Video: Flavio Pinton

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Wieso der Wohnungsmarkt derzeit nicht funktioniert, erklärt Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank.

Während die Bevölkerung aufgrund der Zuwanderung kräftig wächst, werden heute rund ein Viertel weniger Neubauwohnungen geplant als noch vor wenigen Jahren. Das zeigt die neuste Studie des Immobilienresearchs der Zürcher Kantonalbank. «Wird bei der Bautätigkeit nicht das Steuer herumgerissen, laufen wir in der Schweiz sehenden Auges in eine Wohnungsnot», sagt Ursina Kubli, Leiterin des Immobilienresearchs der Bank. Gerade weil die drohende Wohnungsnot im Wahljahr emotional diskutiert wird, sind datenbasierte Fakten und Analysen wichtig. Diese Grundlagen bietet die neuste Ausgabe der Studie «Immobilien aktuell» der Zürcher Kantonalbank.

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Das Wohnungsangebot hinkt hinterher, weil der Bausektor trotz Anlagenotstand in den letzten Jahren weniger Baugesuche eingereicht hat – dies teilweise als Reaktion auf die hohen lokalen Leerstände vor wenigen Jahren. Das Problem sind die baulichen Rahmenbedingungen: Zwar sind alle für Verdichtung, aber nur solange sie nicht vor der eigenen Haustüre stattfindet. In der Folge ist der Neubau zu einem regelrechten Hürdenlauf geworden. Eine wachsende Zahl an Auflagen führt zu Ehrenrunden in der Bauplanung, was die Bewilligungsdauer verlängert. Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung dauert es heute im Landesschnitt 140 Tage – das sind 67 Prozent mehr als noch 2010. Je dichter besiedelt, desto länger die Verzögerung. Im urbanen Kanton Zürich sind es fast 200 Tage, in der Stadt Zürich ist die Zeitspanne gegenüber 2010 um 136 Prozent auf knapp ein Jahr gestiegen. Am längsten dauert es hierzulande mit 500 Tagen im Kanton Genf.

Ist mit der erteilten Baubewilligung endlich eine grosse Hürde überwunden, steht schon die nächste an: Denn jetzt können Projekte aufgrund erfolgreicher Rekurse gekippt werden – und das bis zur letzten Minute. «Einsprachen werden nicht umsonst als fünfte Landessprache bezeichnet», sagt Kubli. Um zu sehen, wie oft dies geschieht, hat das Immobilienresearch sämtliche bewilligte Wohnungsneubauprojekte seit 2010 untersucht und analysiert, ob tatsächlich ein neues Wohngebäude entstanden ist. Das Ergebnis: Seit 2010 wurde in der Schweiz trotz Baubewilligung jedes zehnte Bauprojekt nicht realisiert, wodurch dem Mietwohnungsmarkt jährlich rund 4'000 Wohnungen fehlen – Tendenz steigend.

Angesichts der hohen Nachfrage sollten die Baugesuche aber nicht sinken, sondern müssten im Gegenteil stärker steigen als früher. Dies, weil heute immer weniger auf der grünen Wiese gebaut wird, sondern für das verdichtete Bauen vermehrt alte Immobilien abgerissen werden. Das führt dazu, dass es in der Schweiz heute 119 neue Wohnungen braucht, damit der Bestand um 100 steigt. Im Kanton Zürich sind es sogar 144 Neubauwohnungen.
 

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